L I B RAFLY

OF THL

UNIVLR.SITY

Or ILLINOIS

Vierteljalirsselirift

der

Natiirforsclieudeu Gesellschaft

Zürich.

Unter Mitwirkung der Herren Prof. Dr. A. HEIM und Prof. Dr. A. LANG

herausgegeljen von

Dr. FERDINAND RUDIO,

Professor am Eidgenössischen Polytechnikum.

Siebenundvierzigster Jahrgang. 1902. Mit 22 Tafeln.

-5=H^^«

Zürich,

in Kommission l»c'i Fäsi & Beer in Zürich,

sowie (für Deutschlaml und Oesterreichj

bei J. F. Lehmann, niodizinische IkicliIiaiulIiniiJ- in München.

1902.

^

(iriindnng'sjalir der Gesen.scliafr 1T4G.

506

Inhalt.

Seite

A. Pliegner. Der Druck in der Miiiulungselteiie heim Aii.<;?tröiiien ela- stischer Flüssigkeiten 'il

E. Gubler. Uel>er ])estimnile Intetjrale mit Besselschen Funktionen . i±2 A. Lang'. Füntuiulneunzijr Thesen älter den phylogenelisclien Ursprung

und die morphologische Bedeutung der (lentralteile des Blutgefäss-

systems der Tiere .......... 393

H. Lozeron. Sur la reiiartition verticale du plancton dans le lac de

Zürich, de decemhre l'.J(l(l a decemhre l'.M)l. Avec planches II— VI IL')

K. Mayer-Eymar. Liste der nummulilischen Turritelliden Egyptens auf

der geologischen Samudung in Zürich. Hiezu Tafel XXII . . 3.S.") M. Rikli. Botanische Reisesludien auf einer Frühlingsfahrt durch Korsika.

Hiezu Tafel VTI-XXl ^243

P. Rndio und C.Schröter. Xolizeu zur schweizerischen Kulturgeschichte.*)

7. Die Alilretuiig der Bihliothek der schweizerischen naturforschen- den (lesellschaft an die Stadlhihliothek in Bern .... 437

8. X'ekrologe (.lohann I'ernel, Bernhanl Warlmann, Rudolf Virchow, Heinrich WiM, Karl Ewald Hasse, Johannes Wislicenus) . . 438

'.I. Die akademischen llattiausvorlräge in Ziirich .... 4.59 C. Schröter. Xachruf auf Clarl Eduard Cramer. Mit einem l'orträt . 1

0. Thomann. Unlersuidiungen üher das Zürcher Grumlwasser mit he-

sonderer Berücksichtigung seines Bakteriengehaltes. Hiezu Tafel 1 73

P. Vogler. Variationskurven hei Pflanzen mit letramei-en Blüten . 429

A. Wolfer. Astronomische Mitteilungen 199

H. Zangger. Histologisch-färhetechnische Erfahrungen im allgemeinen und s}ieziell üher die Möglichkeif einer morphologischen Darstellung der Zell-Xarkose (vitale Färhung) ....... 43

K. Hescheler. Sitzungsherichle von UM »2 469

H. Schinz. Bihliothekshericht von 1902 . 482

Verzeichnis der Milglieder auf 31. Dezemher 1902 ..... 501

*) Nachtrag. Die Titel der (j ersten Notizen lauten: I. Bibliograpliie der in dem Zeiträume vom (i. Dez. 1893 his 31. Dez. 1900 gestorbenen Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 2. Die Fachlehrerschule des eidgen. Polytechnikums. 3. Die Bihliolhek des eidgen. Polytechnikums. 4. Die gemein- samen Zuwachsverzeichnisse und der Zentralkatalog der Zürcherischen Bihlio- Iheken. ö. (loncilium hihliographicum ojiihus com|)Iurium nalionum institutum. i>. Nei<rologe (Ernst Fisch. Konrad Bourgeois. Adolf Fick, Hans v. Wyss).

1831-1901

'y

Nachruf auf Carl Eduard Gramer.

Von C. Schröter.

Mit einem Porträt.

Am Nachmittag des 28. November 1901 bewegte sich unter den Klängen der Trauermiisik ein imposanter Leichenzug von den Höhen des Zürichberges gegen die Fraumünsterkirche. Dem mit reichen Kränzen geschmückten Leichenwagen folgten die Behörden und die Docenten beider Hochschulen Zürichs, zahlreiche Bürger unserer Stadt und in endlosem Zug die akademische Jugend mit umflorten Fahnen. Es galt, einem im Dienste der Wissenschaft und des Katheders ergrauten Veteranen, einem Altmeister botanischer For- schung, dem Nestor der Docentenschaft des Polytechnikums die letzte Ehre zu erweisen : Professor Dr. Carl Eduard Gramer von Zürich.

Es möge einem seiner Schüler und spätem Kollegen vergönnt sein, an dieser Stelle in engem Rahmen ein Lebensbild des Tief- betrauerten zu entwerfen, teils nach eigenen Erfahrungen, teils nach freundlichen Mitteilungen von dem Verstorbenen nahestehender Seite. ')

*

Garl Eduard Gramer wurde am 4. März 1831 in Zürich geboren, als Spross einer alten, geachteten stadtzürcherischen FamiUe.

Urgrossvater, Grossvater und Vater waren Eigentümer der „Drakenmühle" am Limmatquai gewesen, die ungefähr dort stand, wo jetzt das unterste Haus des heutigen Limmatquais sich beiludet. Ein Bruder des Grossvaters war der bekannte, als Gelehrter und als Prediger gleich geachtete Matthias Gramer, Diakon am Ötenbach.

Das Geburtshaus Carl Gramers war das Gut zum Weinberg

') Namentlich den Herren Dr. E. Ca-amer, Prof. Kesselrinti', Prof. Sidler (Bern), Staatsrat v. Wild und Dr. F. Ern.st bin ich für Mitteiluii.ucn veriitlichtet.

Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. XLVIX. 1902. 1

2 G. SchnHer.

in Unterstrass, das sein Vater nach Verkauf der Mühle in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhundeits erworben hatte. Da verlebte der Knabe seine glücklichen Kinderjahre. Er war der Jüngste von mehreren Geschwistern Der älteste Sohn Salomon (geb. 1819) war ein litterarisch und philosophisch bedeutend ver- anlagter Kopf, der aber leider früh verstarl), schon im Jahre 1844, kurz nachdem er sich an der Universität Zürich habilitiert und seine Vorlesungen begonnen hatte. ') An diesem Bruder hing unser Gramer mit Leidenschaft und pflegte oft und gerne von ihm zu erzählen. Auch die andern Geschwister sind dem jüngeren Bruder im Tode längst vorausgegangen.

Die Mutter Carl Cramers, eine geborene Magdalene Burkhard aus Zürich, war eine feinsinnige Frau, bei der die Kinder volles Verständnis für ihre geistigen Bedürfnisse fanden. An seiner Mutter hing Gramer mit tiefer Verehrung; er pflegte sie bis in ihr hohes Alter mit treuer Liebe und vergalt ihr vollauf, was sie in der Jugend für ihn gethan.

Schon früh zeigten sich bei dem Knaben naturwissenschaftliche Neigungen. Prof. Dr. Georg Sidlerin Bern, der Haus- und Alters- genosse Gramers, schreibt darüber: „Ich bin mit Gramer bekannt gewesen seit unserm 8. Lebensjahre. Als mein Vater, Landammann Sidler, 1839 von Zug nach Zürich übersiedelte, kaufte er von Gra- mers Vater das Landgütchen zum Weinberg in Unterstrass, und die Familie Gramer blieb noch einige Jahre in diesem Hause als Mieterin. Schon damals hatte der junge Garl grosses Literesse, namentlich an Physik, und konstruierte sich z. B. eine ganze Reihe elektrischer Apparate".

Der junge Gramer besuchte zunächst das hiesige Gymnasium; doch scheinen ihn die alten Sprachen nicht sonderlich angezogen zu haben ; er galt wenigstens anfangs als mittelmässiger Schüler. Durch die Freundlichkeit seines Lieblingslehrers Prof. Heinrich Grob, an den auch der Schreiber dieser Zeilen mit hoher Ver- ehrung zurückdenkt, wurde seine Neigung zu den Naturwissen- schaften neu gestärkt. Prof. Grob verschaffte ihm aus der Schüler- bibliothek ein naturwissenschaftliches Buch ; Gramer verschlang es

•) Vergl.: Zur Erinnerung an Salomon Gramer. Für den Kreis seiner Freunde. Zürich 1845. In dieser kleinen Broschüre sind einige Proben lit- lerarischer Produkte Sal. Gramers enthalten.

Xachruf auf Carl Eduard (Irainer. 3

mit Begierde und war von da an ganz für die Naturwissenschaft gewonnen. Er ist Heinrich Grob zeitlebens dankbar gewesen dafür.

Auch noch von anderer Seite empfing er naturwissenschaftliche Anregung. Er brachte häufig die Ferien bei seinem Onkel und Paten Pfarrer Gutm ann- Gramer in Greifensee zu. Da wurde viel botanisiert, Käfer und Schmetterlinge gesammelt und zu Hause dann an Hand der reichen Sammlungen des Onkels bestimmt. Nachts studierte man mit Hilfe eines Fernrohres den Sternenhimmel, an Regentagen durchging man die Sammlungen, experimentierte mit der Elektrisiermaschine oder machte Studien mit dem Mikro- skop. Gramer pflegte noch in alten Tagen von diesen herrlichen Ferientagen in Greifensee zu schwärmen. Dort wurden auch Freundschaftsbande für das Leben geschlossen, namentlich mit den Brüdern Theodor und Arnold Hug, den Söhnen aus dem Düben- dorfer Pfarrhaus, später Professoren der klassischen Philologie. Namentlich mit dem letzteren blieb Gramer bis an dessen Lebens- ende in inniger Freundschaft verbunden ; er hat lange Zeit den Schwerkranken fast täglich besucht.

Nach Absolvierung des untern Gymnasiums trat Gramer an die Industrieschule über, wo er von dem Mathematiker Graeffe und namentlich dem Chemiker Prof. Schweizer sich sehr angezogen fühlte und sich bald zum Primus der Klasse emporarbeitete. Er hatte damals im Sinne, Ghemiker zu werden, und seine erste Pub- likation ist in der That eine chemische. ') Auch das Zeichnen be- trieb er eifrig; er war eine Zeit lang gleichzeitig mit Meister Koller und Maler Füssli Schüler von H. Schweizer. Diese Aus- bildung seiner nicht unbedeutenden künstlerischen Anlage kam ihm später sehr zu statten.

Im Gymnasialverein war er ein eifriges Mitglied, auch später von der Industrieschule aus. Er hatte starke litterarische Neigungen und hielt oft begeisterte Vorträge, in denen schon damals die in- nere Wärme, die er unter einer etwas verschlossenen, düsteren Aussenseite verbarg, manchmal kräftig durchbrach.

Es sind aus jener Zeit die Manuskripte einer Anzahl von Vor- trägen aus dem Gymnasialverein erhalten, in äusserst sauberer Schrift (wie denn überhaupt ein ausgeprägter Ordnungssinn Gramer

*) Untersuchungen über Stibaniyl und seine Verbindungen. Zürich 1851.

4 C. SchriHer.

eigen war). Die Themata lassen erkennen, wie sehr der 17 18 jäh- rige an seiner geistigen Erziehung arbeitete; es sind folgende: „Die Erziehung nach philosophischen Prinzipien" (1848); „Über Dasein, Wesen und Wirken Gottes" ; „Das Dasein des menschlichen Geistes (Dialog zwischen der Liebe und dem verirrten Jüngling)" ; „Die Begeisterung" ; „Was nützt uns Wissenschaft", 1850 (mit dem für Gramers ganze Auffassung bezeichnend gebliebenen Schlussatz: „0, flieht das niedere Handwerk des Brotgelehrten und macht euch die Wissenschaft um ihrer selbst willen zum Eigentum"); „Der unmittelbar- geistige Wert der Naturwissenschaften", Rede vor dem Lehrerkonvent und den Mitschülern bei Abgang von der obern Industrieschule an die Universität.

Von seiner Universitätszeit in Zürich (18.50—1852) sagt er selbst '): „Es waren herrliche und gewinnbringende Tage, umsomehr, als damals neben Nägeli noch Heer, Frey, Ludwig, Löwig, Mousson, Escher v. d. Linth in Zürich wirkten. Auch bestand in jener Zeit ein sogenanntes botanisches Kränzchen in Zürich, dem ausser Nägeli und Heer noch Regel (der nachmalige russische Staatsrat), Dr. Hepp, der verdiente Lichenologe, und verschiedene andere Männer der Wissenschaft angehörten, und zu dessen an- regenden Zusammenkünften wir jungen Leute jeweilen ebenfalls eingeladen wurden " .

Unter Gramers Studiengenosseu, die ihm während seines ganzen Lebens treue Freunde geblieben, sind namentlich zu nennen : L u d- wig Fischer von Bern, jetzt emeritierter Professor der Botanik daselbst, und Bernhard Wartmann von St. Gallen, jetzt Museums- direktor und Professor der Naturwissenschaften in dieser Stadt. Diese beiden Botaniker durchstreiften mit Gramer zusammen, häufig unter Führung von Dr. Hepp, eifrig die nähere und weitere LTm- gebung Zürichs; es wurde viel gesammelt und die einheimische Phanerogamen- und Kryptogamenflora gründlich studiert. Später gesellte sich auch Heinrich Wild von Zürich dazu, der spätere berühmte Physiker und Meteorologe von Petersburg, jetzt als eme- ritierter Professor und Staatsrat in Zürich lebend ; mit ihm stand Gramer bis zu seinem Tode in besonders herzlichen Beziehungen.

') In: , Leben und Wirken von Carl Wilhelm v. Nägeli. Von C. Gramer. Zürich, bei Friedr. Schulthess 1896. Seite 5.

Nachruf auf Carl Eduard Gramer. 5

€ramer leitete damals häufig die botanischen Exkursionen an Stelle des kränklichen Professors Oswald Heer, war also in der Flo- ristik sehr zu Hause.

In der „Zofingia" Zürich, deren Präsident er längere Zeit war, spielte er eine führende Kolle ; er trat dort sehr entschieden für eine klar ausges23rocliene politische und zwar liberale Richtung ein.

Den Hauptanziehungspunkt an der Universität bildete für den jungen Gramer der Botaniker Karl Wilhelm Nägeli, der ihn sofort definitiv für die Botanik zu gewinnen und intensiv an sich zu fesseln verstand.

Dieser scharfe Beobachter und tiefe Denker, einer der Be- gründer der modernen Zellenlehre und einer der geistvollsten Kri- tiker der Selektionstheorie, hat einen entscheidenden Einfluss auf ('ramers ganzen wissenschaftlichen Entwicklungsgang gehabt. Gramer niuss neben Schwendener, Leitgebf, Kny, Correns u.a. als einer der bedeutendsten Schüler Nägelis bezeichnet werden. Seine Hauptarbeiten liegen in der Kichtung der Nägelischen Schule; er hat bis zuletzt an den Anschauungen des Meisters festgehalten. Insbesondere ist er mit Nägeli schon in den Fünfziger Jahren ein unbedingter Anhänger der Descendenzlehre gewesen, aber ebenso scharf hat Gramer mit Nägeli die Unzugängiichkeit der Selektions- hypothese betont, und demgegenüber an einem innern Entwicklungs- gesetz, einer im AVesen des Organischen, im Aufbau des Idioplas- mas mechanistisch begründeten, die phylogenetische Entwicklung beherrschenden Entwicklungsrichtung festgehalten. Es gereichte ihm zur hohen Genugthuung, dass diese Anschauung in neuester Zeit auf botanischem Gebiet immer mehr Boden gewinnt.

Gramer hat seinem Lehrer in der oben citierten Biographie ein würdiges Denkmal gesetzt. Sie ist in der präcisen Konzen- tration eines ungeheuren Gedankeninhaltes ein Meisterwerk, und die beste Zusammenfassung der Ideen Nägelis. Gramer hat dieser Arbeit vier volle Jahre seines Gelehrtenlebens gewidmet.

Als im Jalir 1852 Nägeli einem Ruf nach Freiburg i. Br. folgte, begleitete ihn Gramer dorthin. Nun folgten drei glückliche Jahre des emsigsten Forschens als Mitarbeiter und Hausgenosse des ge- liebten Lehrers. Damals entstanden eine Reihe wichtiger gemein- samer Arbeiten, von denen später die Rede sein wird.

Im Jahre 1855 promovierte Gramer in Freiburg „Summa cum

6 G. Schröter.

laude". Seine ungewöhnlich umfangreiche und gehaltvolle Disser- tation war betitelt „Botanische Beiträge" und enthielt folgende Arbeiten : Über das Vorkommen und die Entstehung einiger Pflanzen- schleime ; Über Lycopodium Selago ; Über Equisetum arvense und sylvaticum; und: Beobachtungen an Erineum, mit 8 Tafeln. Zürich 1855.

Dieselbe erschien als 3. Heft der unten erwähnten „Pflanzen- physiologischen Untersuchungen" von C. Nägeli und C. Gramer, Die erste der vier Arbeiten giebt eine genaue Darstellung des Baues und der Entwicklung einiger schleimgebender Samen (Plan- tago Psyllium, Lein und Quitten). Die zweite erläutert Verzweigung, Blattstellung, Gefässbündelverlauf, Gefässbündelbau und Bulbillen- bildung bei Lycopodium Selago; die dritte entwickelt die Zell- teilungsfolge im Stammscheitel von Equisetum arvense und die vierte: „Beobachtungen an Erineum im trockenen und feuchten Zustand und Versuch einer Erklärung der Spiralrichtung im Pflanzen- reich" giebt an Hand der spiralig sich abrollenden Wand de& Eiineum-Haares und ihres Verhaltens in Wasser und Alkohol einen Versuch, die Formveränderungen auf verschiedene Einlagerungs- weise der Wassermolekule zurückzuführen.

Im gleichen Jahre 1855 habilitierte sich Gramer an der Uni- versität Zürich. Im folgenden Jahr machte er in Begleitung seines Studienfreundes Wettstein, des nachmaligen Seminardirektors von Küsnacht, eine längere Reise nach Italien, bis Palermo, auf der er namentlich Materialien für seine Algenstudien sammelte. Die folgenden Jahre waren für ihn getrübt durch die Folgen einer ver- schleppten Lungenentzündung, von denen er sich aber dank aus- gezeichneter ärztlicher Pflege und dank einer mit äusserster Sorg- falt beobachteten strengen Diät und geregelten Lebensweise bald völlig erholte.

Unterdessen war Nägeli 1856 als Professor für allgemeine Botanik an das neugegründete Polytechnikum berufen worden ; er war dem Rufe gefolgt zum Teil aus Rücksicht füi- Gramer, um ihm den Lehrstuhl für später zu sichern. Das glückte denn auch voll- ständig; denn nach nur einjähriger Thätigkeit in Zürich wurde Nägeli nach München berufen und Gramer erhielt an seiner Stelle zunächst als Docent einen Lehrauftrag, um dann im Jahre 1861 (mit Zurückdatierung auf Oktober 1860) als ordentlicher Professor

Nachruf auf Carl Eduard Gramer. 7

der allgemeinen Botanik am eidgenössischen Polytechnikum an- gestellt zu werden. In dieser Stellung wirkte er bis zu seinem Tode.

In dasselbe Jahr (1860) fällt auch seine Verheiratung mit Frl. Aline Kesselring. Zwei Töchter und ein Sohn betrauern den Vater; seine geliebte Gattin ist ihm im Jahre 1885 im Tode vorangegangen.

An der Universität Zürich erhielt er 1880 ebenfalls den Titel eines ordentlichen Professors, den er aber 1883 wieder aufgab, nachdem die Unterhandlungen wegen einer gemeinschaftlichen Professur sich zerschlagen hatten.

Die wissenschaftlichen Arbeiten Carl Cramers galten zunächst dem Ausbau des Fundamentes, das sein Meister gelegt, und wurden zum Teil gemeinschaftlich mit diesem publiziert. ') Es waren zu- meist entwicklungsgeschichtliche Studien. Die Bedeutung der Scheitelzelle für die Architektonik des Vegetationskörpers bei Schachtelhalmen, bei Bärlappgewächsen und besonders bei den Kottangen (Florideen), den Lieblingen Cramers, wurde in vielen mühevollen, aber ergebnisreichen Untersuchungen klargelegt. Den komplizierten Teilungsvorgängen bis in die letzten Ausläufer nach- zuspüren, so dass zuletzt die Genealogie jeder einzelnen Zelle klar vorliegt, das ist eine Forsclumgsrichtung, in der Gramer zuletzt un- erreicht dastand. Eine unendliche Geduld, Sorgfalt und Kombinations- gabe sind unerlässliche Grundlagen dieser Forschungsrichtung. Tage können vergehen, bis ein gutes Scheitelpräparat gefunden ist; dann muss der Scheitel (die wachsende Spitze) nach allen Richtungen gedreht und gewendet, in jeder Lage mit der Camera lucida ge- zeichnet und aus all den Bildern dann die Succession der Scheide- wände konstruiert werden.

Wie oft sah der Verfasser seinen Lehrer von morgens früh bis abends spät übers Mikroskop gebeugt, bis nur die Lage und Genealogie

') Pflanzeuphysiologische Untersuchungen, von C. Nägeli und C. Cranier. !■ Hefte. 4". Zürich 18.3.5 his 1SÖ8 . Physiologisch-systenuitische Untersuchungen ül)er die Ceramiaceen I. Zürich \HiVA. i". Üher die verticilüerten Siphoneen, inshesondere Xeomeris und Cyuiopolia. Zürich 18S7. 4". Über die verticilüerten Siphoneen, inshesondere Neomeris und Hornetella. Zürich 1890. 4". Über hoch- difl'erenzierte ein- und wenigzellige Pflanzen. Zürich 1878. Über Pflanzenarchi- tfktonik. Zürich l8tiU. Über Caloglossa Leprieurii. Zürich 1891. Das Ka- pitel: „Die Siphoneen". in C Keller, das Leben des Meeres. Leipzig 1S95. Über Halicoryne Wrightii. Zürich 189.").

8 C. Schröter.

einer Zelle ganz sicher festgelegt war. „Da durfte man ihn durchaus nicht stören", schreibt Prof. Dr. Ernst; „selbst für wichtige Fa- milienangelegenheiten war er nicht zu sprechen. Er lebte so völlig in seinen Forschungen, dass seine ganze Stimmung durch deren Stand beherrscht wurde. Sobald er ein Resultat erreicht hatte, wurde ei' sehi- zugänglich, heiter und gesprächig; solange aber das vor- gesteckte Ziel nicht erreicht war, blieb er abweisend, zurückhaltend, ja oft gerade düster und melancholisch."

('ramers Zeichnungen über den Zellenaufbau der Algen füllen ganze Reihen von Mappen : leider ist vieles nicht publiziert worden.

Als letzte Produkte dieser Forschungsrichtung sind die klas- sischen viel citierten Arbeiten über verticillierte Siphoneen hervor- zuheben, angeregt durch die interessanten Funde Professor V. Kellers in Madagaskar. Sie haben unsere Kenntnisse dieser Gruppe vielfach erweitert und gewinnen immer mehr an Bedeutung durch die Aufschlüsse, die sie über die zahlreichen fossilen Formen geben.

So verehren denn die Algologen mit Recht Cramer vor allem als einen der ihrigen. Das kam in schönster Weise zum Aus- druck bei Gelegenheit der Feier seines vierzigjährigen Docenten- jubiläums. am 4. Dezember 1897, wo von allen Seiten aus dem Auslande die ehrenden Zeugnisse der Algologen eintrafen. So schrieb z. B. Professor Fl ah ault aus Montpellier: „Vous avez eu le rare talent de recueillir l'oeuvre de maitres tels que Xaegeli. de la continuer et de la rajeunir si bien qu'on s'etonne de savoir quel est votre äge, en trouvant vos travaux toujours aussi precis, aussi parfaitement analytiques que peuvent les rever ceux qui sont k la fleur de läge".

Neben den Gesetzen der Pllanzenarchitektonik wurden auch diejenigen des Zellhautwachstums, die Molekularphysik von Zell- haut und Stärke studiert. An dem berühmten grundlegenden Werke Nägelis über die Stärkekörner und die Intussusception (Zürich 1856) hatte Cramer einen sehr wesentlichen Anteil. In seinem Xachlass fanden sich über 80 Tafeln mit Originalzeichnungen über Stärke, die nur zum kleinen Teil in jenem Werke publiziert sind. Xoch in einer viel spätem Publikation hat Cramer einen unbestreitbaren klassischen Fall von Intussusception nachgewiesen : in den Zellen- kappen von Xeomeris Kelleri (1887). Das schwierige Gebiet der

Nachruf auf Carl EiJuard dränier. 9

Folarisationserscheinungen bei Gebilden pflanzlicher Natur be- herrschte er vollständig. Hier kam ihm auch seine gründliche Schulung in Physik und Chemie zu gute. ')

Eine weitere Richtung botanischer Forschung wurde von Gramer bedeutend gefördert: das Studium der Bildungsabweichungen und ihre Verwendung zu Schlüssen auf die morphologische Natur normaler Organe. -)

Diese umfangreiche Arbeit enthält für sieben Pflanzenfamilien (Coniferen, Smilaceen, Primulaceen, Compositen, Umbelliferen, Ra- nunculaceen und Leguminosen) eine Zusammenstellung aller damals bekannten Bildungsabweichungen und eine Darstellung der eigenen neuen Beobachtungen, reich illustriert auf 16 Tafeln; ferner ein allgemeines Kapitel über die morphologische Natur des Pflanzen- eies und seine normale Entwicklung. Gramer vertritt hier gegen- über der damals herrschenden Ansicht, welche im Eikern ein Axen- gebilde erblickte, eine sorgfältig begründete neue Auffassung, nach welcher der Eikern als eine metamorphorische Blattemergenz zu bezeichnen ist. Diese Auffassung von der Emergenznatur des Eikerns ist auch heute die herrschende; streitig ist heute nur noch, ob der Eikern stets, wie Gramer und mit ihm Gelakowsky und seine Schule wollten, blattbürtig ist, oder ob er auch aus der Axe entstehen kann.

Das geübte Auge des Mikroskopikers wurde häufig für Lösung von Fragen aus der Technik in Anspruch genommen. Die Exper- tisen Gramers über Textilfasern haben wichtige Beiträge zur Kenntnis der Kunstwolle, der Seide, des Leins und Hanfs geliefert. Eine Reihe wichtiger Expertisen über Seide: Einfluss der Be- schwerung auf die Faser, Ursprung der sogen. „Seidenläuse" etc.

'; Die näheren Bestandteile und die Nahrungsmittel der Pflanzen. Ilabili- tationsvortratr, Zürich lS5."j. Die Zellenhildunür bei Pflanzen. Zürich iMös. liier das Verhalten des Kupferoxydanimoniaks zur Pflanzenzellmembrane etc. Zürich 1S57. Das Rhodospermin, ein krystalloider Körper bei Florideen. Zürich 1S()^. Untersuchung der Pflanzenzelle und ihrer Teile im i)olarisierten Licht. Zürich 1809. Nachtrag zu den Untersuchungen über Oligodynamik von G. Nägoli. Zürich 1893.

-) Bildungsabweichungen l)ei einigen wichtigern Pflanzenfamilien und die morphologische Bedeutung des Pflanzeneies. Heft I mit 16 Tafeln. Zürich 18()1'. Über Krüppelzapfen an den nordischen Fichten in Graubünden. Gemeinsam mit Professor Brügger, Chur 1874. Über eine monströse Gentiana excisa Prese. <iemeinsam mit Professor Brügger. Chur 1889.

10 C. Scliröter.

sind nicht publiziert worden. Auch Meteorstaubfälle, fossile Hölzer, vulkanische Aschen wurden mikroskopisch untersucht. Die mikro- skopische Technik verdankt Cramer eine Reihe praktischer Hilfs- apparate. ')

Ein äusserer Umstand, die Typhusepidemie des Jahres tSSiy wurde die Veranlassung, dass auf einem fünften Gebiet, dem der Bakteriologie, wichtige Arbeiten aus der Feder Cramers entstanden.

Es erging der Ruf der städtischen Behörden an den berühmten Mikroskopiker, seine Kraft in den Dienst der Stadt zu stellen. Er zögerte, denn das Gebiet der Bakteriologie war ihm in seinen prak- tischen Teilen ganz neu, und seine persönliche Gewissenhaftigkeit liess die Bedenken vorwiegen. Aber bald siegte die alles beherr- schende Hingabe an seine Vaterstadt; ihr zuliebe begab sich der damals Dreiundfünfzigjährigc nach München, um sich durch erste Autoritäten in alle Feinheiten der Bakterien kultur einführen zu lassen. Es ist noch in aller Erinnerung, wie rasch er diese Me- thoden so gründlich beherrschen lernte, dass er bei den Fragen nach den Ursachen der Epidemie und bei der Neueinrichtung unserer Wasserversorgung ein gewichtiges Wort mitsprach. Das wird ihm in Zürich stets unvergessen bleiben!'-)

Zahlreiche kleinere Arbeiten aus den Gebieten der Anatomie, Physiologie, Kryptogamenkunde und Pathologie schmücken das

') Drei gerichtliche mikroskopische Expertisen betreffend Texlilfasern. Zürich INSl. 4"^. Über einige Meteorstaubfälle und über den Saharasand. Zürich 1868. 4". Mit einer Tafel. Fossile Hölzer aus der arktischen Zone. In : H eer Flora fossilis arctica. Bd. T. Zürich 1868. Über verkohlte Erikahlätter in einer vulkanischen Asche. Zürich 1876. Die neue Camera lucida von Dr. J. G. Hoff- mann, nebst Vorschlägen zur Verbesserung der Camera lucida. Bot. Central- blatt 1881. Über das stereoskopische Ocular von Prasmowski. Zürich 1879.— Ein neuer beweglicher Objekttisch. Zeitschrift für Mikroskopie und für mikro- skopische Technik III. 1886 p. 5—14.

2) Gutachten des Herrn Prof. Dr. C. Gramer über das städtische Leitungs- wasser in Züricli. 1884. Die Wasserversorgung von Zürich im Zusammenhang mit der Typhusepidemie vom Jahr 1884. Bericht der „erweiterten Wasserkom- niission" (Bakleriolog. Teil von C. Gramer). Zürich 1885. Die Wasserversor- gung von Zürich und Ausgemeinden. Entgegnung der erweiterten Wasser- kommission auf die Angrifl'e von Dr. Prof. Klebs. Zürich 1885 (Mikroskopisch- Bakteriologisches von C. Gramer), Über Bakterien. Vortrag gehalten an der Versammlung des schweizerischen ärztlichen Gentralvereins. Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte. 188f;. Studien über die Ätiologie der Cholera. Hygie- nische Tagesfragen VII. München 1889.

Nachruf auf Carl Eduard Gramer. II

stattliche wissenschaftliche Gebäude, das der unermüdliche Arbeiter errichtet hat. ^)

Es darf ferner nicht unerwähnt bleiben, dass Gramer für die Erforschung der Kryptogamenflora unseres Landes Hervorragendes geleistet hat. Namentlich in seinen jungen Jahren sammelte er eifrig Algen, Flechten und Moose ; viele von ihm gesammelte Arten sind in den käuflichen kryptogamischen Exsiccatenwerken von Rabenhorst und in den „Schweizerischen Kryptogamen" von Wartmann und Schenk ausgegeben.^) Hier figurieren auch viele von ihm aufgestellte neue Arten. Sein Kryptogamenherbarium ist sehr umfangreich und beherbergt noch viele zu hebende Schätze für kryptogamische Floristik unseres Landes.

Die Lehrthätigkeit Cramers am eidgen. Polytechnikum er- streckte sich auf den langen Zeitraum von 44 Jahren. Er hat die stattliche Zahl von ca. 2400 Studierenden in die Botanik ein- geführt; vierzehn davon sind später seine Kollegen geworden. Diese vierzehn, zum Teil auch schon grauhaarige Männer, Hessen es sich nicht nehmen, am 70. Geburtstag des verehrten Lehrers, am 4. März letzten Jahres sich noch einmal zu seinen Füssen zu

^) Über eine neue Fadenpilzgattung: Sterigmatocystis, Gramer, Zürich, 1859. Über Sterigmatocystis antacustica. Gramer, Zürich 1860. Über die erste Entdeckung der Schwefelkörnchen in den Beggiatoen. In : Chemisch-phy- sikalische Beschreibung der Thermen von Baden im Aargau, Baden 1S7(». Über die Samenbildung der Pflanzen und die Bedeutung der Insekten hiefür, Rathausvortrag, Zürich 1871. Über den Gitterrost der Birnbäume, Schweiz, landw. Zeitschr. 1876. Über die Acclimatisation der Sojapflanze, ebenda 1879. Über die geschlechtliche Vermehrung der Farnprothallien, Zürich 1880. Über die Entstehung und Paarung der Schwärmsporen von Ulothrix, Zürich 1870 (erste Entdeckung dieser bedeutungsvollen Erscheinung). Über Verbreitungs- mittel der Pflanzen, Zürich 1877. Über die insektenfressenden Pflanzen, Rathaus- vortrag. Zürich 1877. Über das Bewegungsvermögen der Pflanzen, Rathaus- vortrag. Basel 1S8H. Über die Oosporen der Peronospora viticola (erste Ent- deckung derselben in der Schweiz !). Schweizerisches Landwirtschaftliches Cenlral- blatt 1887. Über Bau und Wachstum des üetreidehalms. Neujahrsblatt der Zürcher. Naturf. CTesellschaft 1889. Die Braiidkrankheiten der Getreidearten nach dem neuesten Stand der Frage, Vortrag, gehalten vor praktischen Land- wirten. Landwirtschaftliches .lahrbuch der Schweiz. Band IV, 1890. Über das Verhältnis von Chlorodictyon foliosum Ag. und Hamalina reticulata Krplh. Berichte der schweizerischen botanischen Gesellschaft, Heft !. 1891. Dr. Ernst Slitzenberger t (Nekrolog) Zürich 189.5.

-) In letzterer Sammlung, nach freundl. Mitteilung von Herrn E. Bäcliler in St. Gallen, :^1 Nummern mit 114 Species, fast ausschliesslich Algen.

12 C. Schröter.

scharen und auf denselben Bänken Platz zu nehmen, auf denen sie einst seinen AVorten gelauscht.

Cramers Vorlesungen und Übungen umfassten das gesamte weite Gebiet der Botanik : Morphologie, Anatomie, Physiologie, Kryptogamenkunde, Bakteriologie, Polarisationserscheinungen, Ein- führung in die mikroskopische Praxis, und zeitweise sogar die weiter abliegende Systematik, auch in ihrer Anwendung auf Land- und Forstwirtschaft.

In den Jahren 1870 79 las Gramer in Vertretung Oswald Heers die systematische Botanik. In den Studien hiefür kam auch seine künstlerische Begabung zur Geltung: es sind fünf Folio- mappen vorhanden aus jener Zeit mit Originalzeichnungen über Blutenpflanzen : teils künstlerisch vollendete, mit Bleistift und AVischer ausgeführte Blütenbilder, teils Analysen. Alle interessan- teren Typen, die damals im botanischen Garten blühten, sind hier ab- gebildet. Es war auch ein reich illustriertes Lehrbuch der syste- matischen Botanik geplant und schon in Manuscript und Zeich- nungen fertig, kam aber nicht zum Druck : die scharfe Selbstkritik des Verfassers entdeckte immer wieder Unvollkommenheiten. Ahn- lich ging es mit einem Lehrbuch der allgemeinen Botanik, das sogar nach Beginn des Druckes wieder zurückgezogen wurde.

Noch viele andere nahezu fertige Untersuchungen finden sich unpubliziert im handschriftlichen Nachlass: Über den Einfluss der Temperatur auf die Strömungsgeschwindigkeit des Plasmas bei Chara ; über die Zellstoffkeulen von Ficus elastica ; über die Ent- wicklung der Characeen ; über das Wachstum der Perigonzipfel von Selenipedium : Nachtrag zu den „Bildungsabweichungen", mit 14 prächtigen Tafeln ; über den Hausschwamm.

Welche Sorgfalt, welche Summe von Arbeit Gramer auf die Redaktion der Vorlesungen und auf die Beschaffung von Unterrichts- und Sammlungsmaterial verwendete, das kann nur der in vollem Umfange beurteilen, der wie der Verfasser persönlich der Ent- wicklungsgeschichte dieser Dinge beiwohnte. Jeweilen wurden grössere Kapitel unter Anfertigung zahlreicher makro- und mikro- skopischer Präparate durchgearbeitet. Als z. B. im Jahr 1874 Schwendeners epochemachendes, ganz neue Bahnen eröffnendes Werk über das mechanische Prinzip im Bau der Monocotyledonen erschien, untersuchte Gramer fast sämtliche dort vorgeführten

^'achnl^ auf (lad Eduard tlramer. 13

Fälle mikroskopisch nach iiiul legte sich eine Sammlung von meh- reren hundert Präparaten und Zeichnungen an. Ihm war es nicht gegeben, solche Werke einfach aus dem Buch zu studieren : bevor er die neuen Gesichtspunkte in der Vorlesung besprach, musste er das Wesentlichste selbst gesehen haben. Deshalb machten seine Darstellungen auch immer den Eindruck des Wohlbegründeten. Im handschriftlichen Nachlass finden sich ganze Bände von Aus- zügen aus wissenschaftlichen Werken, sauber und ordentlich, wie alles, was aus Cramers Hand hervorging; er liess sich sogar nicht die Mühe verdriessen, viele Tafeln zu pausen.

Als Nebenprodukte solchen Hineinarbeitens in der Wissenschaft neu erschlossene Gebiete ergaben sich dabei häufig allgemein orien- tierende Voiträge im Rathaus oder in der Naturforschenden Ge- sellschaft Zürichs. Die Mitglieder der letzteren werden sich noch lange der packenden Darstellungen über das mechanische Princip, über die Verbreitungsmittel der Pflanzen, über ein- und wenig- zellige Pflanzen, über den Verkalkungsprozess, über abnormen Holz- bau u. a. erinnern. Auch weiter abliegende Gegenstände wurden etwa behandelt, immer mit derselben Gründlichkeit. Ich erinnere an den prächtigen Kathausvortrag über Samoa. wo Gramer an Hand der von Dr. Gräfl'e zusammengebrachten, in Cramers Privat- besitz befindlichen umfangreichen Südseesammlung ein anschauliches Bild dieser Südseeinsel und ihrer Bewohner entwarf. Bei den Vor- studien dazu hat er aus zahlreichen ethnographischen Werken ein reiches Material kopierter Abbildungen, Karten etc. zusammen- gebracht.

Den Unterrichtssammlungen kamen diese Arbeiten in eminen- tem Masse zu gute. Eine Sammlung von gegen 4000 mikrosko- pischen Präparaten und zahllose Demonstrationsobjekte sind der bleibende wertvolle Niederschlag derselben.

Die Signatur des gesamten Cramerschen Werkes in Forschung und Lehre ist : äusserste Sorgfalt und peinliche Gewissenhaftigkeit in der Untersuchung, strengste, nüchternste Selbstkritik, konzen- trierte, fein abgewogene klare Darstellung der Resultate, ein weiter Blick, stets auf die allgemeine Bedeutung jedes Einzelfaktums ge- richtet, absolute Sachlichkeit und ein richtiges Beimass von innerer Wärme.

Denn unter einer ruhigen, scheinbar nüchternen und zurück-

14 C. Schröter.

haltenden Aussenseite barg der stille Gelehrte eine Feuerseele voll glühender Begeisterung für Natur und Wissenschaft. Das kam oft in hinreissender Weise zur Geltung in seinen Vorlesungen und Demonstiationen, oder etwa im Laboratorium, wenn er mit leuch- tenden Augen uns das endlich erreichte Resultat einer mühevollen Forscherwoche vorführte!

So war denn seine Wirkung auf die Tausende seiner Schüler eine starke und nachhaltige ! Welch" gewaltige Summe von An- regung haben sie empfangen und hinausgetragen in das praktische Leben, welch' zündende Funken echter Begeisterung für die hohen Ziele der Wissenschaft wusste er in ihre Seele zu werfen, welch' intensive Schulung in scharfer Beobachtung, streng wissenschaft- lichem Denken und ruhiger Skepsis hat er ihnen gegeben.

Im persönlichen Verkehr mit seinen Schülern, besonders den ihm näher tretenden, waren ein herzliches Wohlwollen, eine stete Hilfsbereitschaft und immergleiche Freundlichkeit, ein tiefes per- sönliches Interesse an ihrem Fortschritt und grösste Aufopferungs- fähigkeit seine leitenden Prinzipien.

Das hat in besonders hohem Masse der Verfasser erfahren, der mit dem Verstorbenen als Spezialschüler, als Assistent und später als Kollege in siebenundzwanzigjährigem, nie getrübtem freundschaftlichem Kontakt stand. Er war mir ein väterlicher Freund, voll Nachsicht und Güte.

Das trat besonders hervor in unserm Verhältnis im pflanzen- physiologischen Institut in der landwirtschaftlichen Schule: Prof. Gramer richtete ein Institut ein für Anatomie und Physiologie. Nun wird sein ehemaliger Schüler und Assistent zum Professor für systematische Botanik neben ihm angestellt. Er überlässt ihm ein Arbeitszimmer, er räumt ihm grossmütig Platz ein im Samm- lungssaal. Der Jüngere schleppt eine Masse Sammlungsobjekte herbei; die systematische Botanik dehnt sich aus und frisst w'ie ein Pilz um sich in den Räumen des pflanzenphysiologischen In- stituts : bald da, bald dort wird wieder ein Schrank, eine Schublade occupiert! Und der Leiter des Instituts lässt ihn lächelnd ge- währen. Dass bei dieser Sachlage unser freundschaftliches Ver- hältnis nie ernstlich getrübt war, ist der sprechendste Beweis für die Güte und die ruhige Sachlichkeit Cramers.

Es gereichte ihm zur hohen Befriedigung, gerade an einer

Nachruf ;iuf Carl Eduanl Crainer.

Hochschule, deren Endziele zumeist praktische sind, die PÜege der reinen Wissenschaft als der unentbehrlichen Grundlage jeglichen technischen Fortschrittes hochhalten zu dürfen, und in diesem Be- streben die volle Zustimmung von Behörden und Kollegen zu finden. Darum freute ihn auch hohe öffentliche Anerkennung seiner wissen- schaftlichen Thätigkeit bei Gelegenheit seines vierzigjährigen Dozentenjubiläums ganz besonders.

AV^ie hoch aber er, die ausgesprochene Forschernatur, neben der Forschung auch die Lehre hielt, hat er selbst damals mit fol- genden Worten ausgesprochen :

„Ist es überhaupt schon als ein Glück zu betrachten, einem "wissenschaftlichem Berufe sich widmen zu können, da die Wissen- schaft an sich eine unerschöpfliche Quelle edelster Freuden dar- stellt, so verdoppelt sich das Glück, wenn es uns vergönnt ist, Jahr für Jahr so viele strebsame und talentvolle Jünger der Wissen- schaft um sich versammeln zu können "

Als spezielle Schüler Cramers, welche bei ihm wissenschaftlich gearbeitet haben und zum Teil seine Assistenten waren, sind zu nennen: Dr. 0. Amberg (Assistent am Folyt.), Dr. H. Berge (t in Berlin), Dr. Jean Dufour (jetzt Professor der Botanik und Direktor der Weinbauversuchsstation in Lausanne), Dr. Dünnen- berger (Apotheker in Zürich), Dr. Fankhaüser (f in Bern), Prof. Dr. Geyler (f in Frankfurt), Prof. Dr. Jul. Klein (Budapest), Dr. Hans Schinz (Professor der Botanik an der Universität Zürich). Dr. H. Schellenberg (Privatdozent am Polytechnikum), Dr. v. Tavel (Zürich), Prof. H. Wegelin (Frauenfeld) und der Verfasser.

Neben dieser erfolgreichen Lehrthätigkeit, der Gramer mit der grössten Gewissenhaftigkeit oblag, (selbst an seinem 70. Geburts- tag setzte er die Vorlesungen nicht aus!), gingen andere wichtige Arbeiten im Interesse des Polytechnikums. Gramer hat sich blei- bende grosse Verdienste um die Gründung der landwirtschaftlichen Schule an unserer eidgen. technischen Hochschule erworben. Er ist in Wort und Schrift lebhaft und überzeugend für sie eingetreten ^), er hat die ersten Pläne für das Gebäude und den Garten der forst- und landwirtschaftlichen Schule entworfen ; er hat darin das pÜanzen- physiologische Institut eingerichtet und während 27 Jahren geleitet.

') Vrgl.: Über die projektierte liöhere schweizerisclie landwirtschartliclie Sehule. Separatabdruck aus der Neuen Zürcher Zeitung iSli'.l.

Kl C. Schröter.

Ferner besorgte er von 1882 1893 die Direktion des auch dem eidg. Polytechnikum dienenden botanischen Gartens der Universität.

Den Kollegen gegenüber l)ewä]irte sich stets sein lauterer offener Charakter. Wenn er auch in seiner etwas ängstlichen und zurückhaltenden Art manchmal neuen Erscheinungen und Persönlich- keiten gegenüber erst ein gewisses Misstraucn empfand, so wurde das doch stets bald überwunden durch sein Herzensbedürfnis nach freundschaftlichen Beziehungen. Durch seine gewinnende Herzens- h()fliclikeit. Liebenswürdigkeit und Gefälligkeit, seine rührende Be- scheidenheit und seinen oft naiven und kindlichen Humor hat er es jedem von uns angethan.

Unlauterem Wesen gegenüber konnte er aber gelegentlich recht scharf werden und sprach dann furchtlos und rückhaltlos seine Meinung aus. Namentlich war ihm jedes Strebertum von Grund aus verhasst.

Den wissenschaftlichen Verkehr in Vereinen pflegte er gerne; unserer zürcherischen Xaturforschenden Gesellschaft, deren Mitglied er 45 Jahre lang war, diente er als langjähriger Aktuar (1860 bis 1870), als Präsident (1876 1878) und als häufiger, stets gern ge- hörter Vortragender, getreulich. Auch der Gesellschaft für wissen- schaftliche Hygieine der Gelehrten- und akademischen Mittwochs- gesellschaft hat er mehrfach seine Kraft zur Verfügung gestellt.

In der Schweizerischen Nalurforschenden Gesellschaft spielte er eine wichtige Rolle. Er war lange Jahre Präsident der Denk- schriften-Kommission, ferner Mitglied des Centralkomitees, und im Jahre 1883 präsidierte er die in Zürich tagende Jahresversamm- lung dieser Gesellschaft. Die Denkschriften derselben enthalten mehrere seiner wichtigsten Arbeiten.

Auch an Anerkennung nach aussen fehlte es nicht. Gramer war Ehrenmitglied einer grossen Zahl in- und ausländischer natur- Avissen schaftlicher Gesellschaften, auch „Foreign Fellow" der Lin- nean Society in London.

Gramer hat in seinem langen Leben viel Schweres durch- gemacht, aber auch viel Schönes erfahren. Die Ehrungen, die ihm im hohen Alter, bei seinem vierzigjährigen Dozentenjubiläum und bei seinem 70. Geburtstag zu teil wurden, haben ihn hoch erfreut An seinem schönen Heim droben am Zürichberg hatte er inniges Vergnügen, und noch vor kurzem durfte er die Freude

Xachruf auf (iarl Eduard Trainer. 17

erleben, einen hochgeschätzten Scliwiegersohn in seine Familie auf- zunehmen. Es war ihm ein sonniger Lebensabend beschieden.

Welch' ein erhebendes Bild tritt uns in diesem wohlausgefüllten Gelehrtenleben entgegen ! Fünfzig Jahre unausgesetzter, uneigen- nützigster Arbeit in Forschung und Lehre, im Dienste der Mensch- heit, im Dienste des Landes und unserer höchsten Schule. In stiller Grösse steht der nun ruhende Arbeiter vor uns, der einfache, be- scheidene Mann mit der vornehmen Gesinnung, dem feinen Ge- wissen und dem unbeugsamen Rechtssinn, durchdrungen von ab- soluter Wahrhaftigkeit und von selbstloser Hingabe an die Wissen- schaft.

Bis kurz vor seinem Ende hat er gewirkt. Am 11. November hatte er noch nachmittags eine mikroskopische Demonstration ab- gehalten; da traf den Ahnungslosen abends ein Schlaganfall, an dessen Folgen er am 24. November sanft verschied, ohne zum Be- wusstsein seiner Lage gekommen zu sein.

Es sollte ihm nicht beschieden sein, was wir ihm so sehr ge- wünscht hatten, noch einige Jahre der wohlverdienten Ruhe zu pflegen, im Kreise seiner geliebten Kinder, in seinem schön um- grünten Heim, das er so sehr liebte.

Doch nicht ziemt uns laute Klage, denn mit milder Hand hat der Tod den müde werdenden Greis mitten aus der Schar seiner Jünger hin weggeführt, und ihn sanft und ohne Kampf zur ewigen Ruhe gebettet, bevor ihm die Bürde zu schwer wurde.

Draussen auf dem Friedhof senkten wir seine sterbliche Hülle in den Schoss der kalten, dem Winterschlaf verfallenen Erde, und mit entblätterten Ästen raunten die Bäume ihr Klagelied auf den, der die Pflanzen so sehr geliebt. Aber wie im kommenden Lenz und in hundert kommenden Lenzen die unsterbliche Natur immer wieder zu neuem Leben erwacht, so wird auch in uns das Andenken an Carl Cramer fortleben und sein leuchtendes Vorbild wirken fort und fortl

Vierteljahrsschi-ilt d. Naturf. Ges. Zürich. Jalirg. XLVII. 190'2.

Verzeichnis der Publikationen C. Cramers.

V. X. Z. = Vierteljahrssclirifl d. nalurf. Gesellschaft Zürich. (Die wichtigsten Arbeiten sind durch Icursivcn Druck hervorirehoben.)

1851. 1. Untersuchungen über das Stibamyl und seine Verbindungen. Mitteil- ungen der zürch. naturf. Gesellschaft. V. Heft. Seite 879 bis :^85. 1850/.-)l. ISÖö. '■2. Ptlanzenjyloisiolayisclie Untersuchungen von Carl Xägeli und (larl Gramer. f4 Hefte, Zürich 185."> .58.)

Heft o von G. Gramer: Botanische Beiträge, Inauguraldissertation v. Freiburg i. Br. Mit 8 Tafeln. Enthält: Ueber das Vorkommen und d. Entstehung einiger Pflanzenschleime. Ueber Lycopodium Selago. - Ueber Equisetum arvense und silvaticum. Beobachtungen an Erineum. Heft 4 von G. Gramer: Ueber die Ceramiaceen. Mit 18 vom Ver- fasser auf Stein gezeichn. Tafeln. Zürich 1857, bei Fr. Schulthess. 185Ü. '.». Die nähern Bestandteile und die Nahrungsmittel der Pflanzen. V. N. Z. I. 71, 141. 185G.

1858. 4. Ueber das Verhalten des Kupferoxifdammoninks zur Pflanzenzell-

mendjran, zu Stärke, Inulin, zum Zellenkern und zum Primordial- schlauch. V. N. Z. DI, 1. 1858.

1859. 5. Ueber die Zellenbilduntr bei Pflanzen. Vortrag in d. nat.Ges. Zürich.

V. i\. Z. IV, 90. 1859.'

6. Oedogonium Pringsheimii Gramer nova species. Hedwigia. Ein Notiz- blatt für kryptogamische Studien. 1859. Seite 17 19 (kurze Be- schreibung mit 4 Figuren).

7. Ueber eine neue Fadenpilzgattung: Sterigmatocystis Gramer. V. N. Z.

IV, :>26. 1859.

18()(). 8. Ueber Pflanzenarchitektonik. Oeffentlicher Rathaus- Vortrag. Zürich. Druck V. Zürcher u. Furrer. 1860. Mit einer Tafel.

1862. 9. Ueber den roten Farbstoff' von Rvtiphlaea tinctoria. Ag. spez.

V. N. Z. VII, 36.5. 186i>.

10. Ueber Sterigmatocystis antacustica Clramer. V. N. Z. VII, 34.3. 186:2.

11. Das Rhodospermin, ein krystalloidischer, quellbarer Körper im Zell- inhalt verschiedener Florideen. V. N. Z. VII, 350. 1862.

1863. 12. Phifsiolof/isch-s//slemcctische Untersnchiuuien über d. Ceramiaoeev.

Heft I. Denkschr. d. Schweiz, naturf. Ges. Bd. 27. 1863. Mit 13 Taf. 4°. 12a. Algologische Notizen. Hedwigia II 1863, Seite 61—66 und Tafel XII.

1864. 18,. Bildanr/sabweichunr/en bei ehiir/en wichtigern PflanzeufamiUen und

die morpholöfiische ßedeutiniff des Pflanzeneies. Heft I (mehr ist nicht erschienen), mit 16 Tafeln. 4". Zürich, bei Friedr. Schulthess. 1864. 18(;8. 14. Ueber Föhnstaub und Meteorstaub. Vorläufige Mitteilung. V. N. Z. XIII, 312. 1868.

15. Ueber einir/e Meteorstaubfälle und über den Saharasand. Schweiz, meteorol. Beobachtungen. V. 1868.

16. Fossile Hölzer aus der arktischen Zone. In: 0. Heer, Flora fossilis arctica. Bd. I. Zürich. 1868.

Verzeichnis der Puhlik.iliniien {]. Cramers. 19

ISü'J. 17. Ucber die Untersnvlimig der P/lanzenzeUe im polarisierten Licht. Vortrag in der nat. Ges. Zürich. V. N. Z. XIV. 420. 1809. 18. Ueher die projektierte höhere Schweiz, landw. Schule. N. Z. Ztg. 1869.

1870. 19. Ueher EntsteJumr/ u. Paarimg der Schwärmsporen hei IJlothrix.

V. N. Z. XV, 194. 1870. 20. Beggiatoa nivea, und die erste Entdeckung itirer Schwefelkörnchen. In : Chemisch-physikal. Beschreibung d. Thermen von Baden (Schweiz), V. Dr. Chr. Müller, Apoth. in Bern. Baden 1870.

1871. 21. lieber die Samenhildnng der Pflanzen u. die Bedeutung der Insekten hie-

für. — Oeftentl. Rathaus- Vortrag Zürich 1871. (Sep.-Abdr. a. d. N. Z.Ztg.)

1874. 22. Krüppelzapfen an der nordischen Fichte in Graubünden. Mit Prof.

Chr.Brügger. Jahresbericht der naturf. Ges. Graubündens XVIII, 150. 1874.

1875. 23. üeber eine im Kanton Zürich auftretende Krankheit der Birnbäume.

Zeitung-snotiz in der „Neuen Zürcher Zeitung", dem „Landboten" und dem „Zürcher Bauer". 1875. 1870. 24. Ueber verkohlte Erica-Nadeln in vulkanischer Asche. In: Ueher ein Vorkommen von verkohlten Pflanzenteilen in vulkanischer Asche, V. A. Baltzer. V. N. Z. XXI. 293. 1876. 25. Ueher den Gitterrost der Birnbäume und seine Bekämpfung. Schweizerische landw. Zeitschrift IV, Nr. 7 8. 1870.

1877. 26. Ueber die Verbreitungsmittel der Pflanzen. Vortrag in d. nat. Ges.

Zürich. V. N. Z. XXII, 405. 1877. 27. Ueher die inseläenfressenden Pflansen. Oeffentlicher Vortrag (er- weitert!) Zürich bei Caesar Schmidt. 1877.

1878. 28. Ueber hochdifterenzierte ein- und wenigzellige Pflanzen. Vortrag in

d. nat. Ges. Zürich. V. N. Z. XXIII, 400. 1878.

1879. 29. Ueber das stereosk. Ocular von Prazmowski. V. N. Z. XXIV, 95. 1879. 29a. Ueber pflanzliche Bildungsabweichungen. Vortrag an der schweizer.

Naturforscherversammlung in Bern 1878 (kurzes Referat). Verhandl. d. schAveiz. nat. Ges. Bern 1879.

30. Ueber einige mikroskopische Kunstwerke. (Kurze Notiz) V. N. Z. XXIV, 130. 1879.

31. Ueber die Akklimatisation der Sojapflanze. Schweiz, landw. Zeit- schrift VII, Nr. 7 u. 8, 1879.

1880. 32. Ueber geschlechtslose Fortpflanzung des Farnprothalliums mittelst

Gemmen, resp.Conidien. (Voriäutige Mitteilung!) V.N.Z. XXV, 198. 1880. 33. Ueher die gesddechtslose Vermehrung des Farnprothalliirms nament- lich durch G-emmen resp. Conidien. Mit 3 Tafeln. Denkschriften d. Schweiz, naturf. Ges. Bd. XXVIIl, 1880.

18S1. 34. Brei gerichtlich mikroskopische Expertisen betreffend Textilfasern.

Wissenschaftl. Beilage z. Programm d. Polytechnikums. Zürich 1881.

35. Die neue Camera lucida von Dr. .1. G. Holfmann nebst Vorschlägen

zur Verbesserung der Camera lucida. Botanisches Centralblatt 1881.

18x3. 36. Ueber das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Zürcher Rathaus- Vor- trag. Basel 1883.

1S84. 37. Ueber die Bakterien. Eröffnungsrede bei d. ()6. Jahresvers, der Schweiz, naturf. Gesellschaft in Zürich. Verhandl. d. Schweiz, naturf. Ges. bei ihrer 66. Vers, in Zürich. Zürich 1884.

1885. 38. Die Wasserversorgung v. Zürich, ihr Zusammenhang mit d. Typhusej)!- demie d. Jahres 1884 und Vorschläge zur Verbesserung d. bestellenden

20 Verzeichnis der Publikationen C. Cramers.

Verhältnisse. Bericht d. „erweiterten Wasserhaukommission" an d- Stadtrat. Zürich ISS."). Darin v. C. Cramer:

Gutachten, über d. städtische Leitiinf/swasser.

Bericht über d, BaJcterieuf/ehalt verschiedener Wasser.

Bericht über die mikroskop. Untersuch, d. Wägc/ithalioassers. 39. Die Wasserversorj^ung v. Zürich u. Au.sgeiueinden. Entgegnung der , erweiterten Wasserkommission" auf d. Angriffe von Prof. Klebs. Zürich 1885. (Mikroskopisch- Bakteriologisches von C. Cramer).

1886. 40. lieber Bakterien. Vortrag, geh. a. d. Versammlung des Schweiz. ärztL

Centralvereins. Correspondenzblatt für Schweizer-Aerzte, XVI, 1. 1886. 41. Ein neuer beweglicher Objekttisch. Zeitschrift für wissenschaftL Mikroskopie und f. mikrosk. Technik. Band III, 1886, p. 5—14.

1887. 4^2. Ueber die Wintersporen (Oosporen) der Peronospora viticola. Schweiz,

Landw. Centralblatt, VI. Seite !2 3. 1887. (Kurze Notiz über d. erste Entdeckung derselben in der Schweiz), auch abgedruckt in „Weinbau u. Weinhandel", Organ d. Deutschen Weinbauvereins, Jahrg. IV, 1887. Seite 41. Mainz.

43. Zum Artikel „vom falschen Mehltau". Entgegnung auf einen Angriff von A. Rössel. Monatsschrift für Obst- und Weinbau. XXIII, Seite 108—109. Frauenfeld 1887.

44. Ueber die verticilUerten Siphoneen, insbesondere Neomeris ttnd Cf/mojyolia. Denkschr. d. schw-eiz. nat. Ges. XXX. 1887. Mit 5 Taf.

1889. 45. Ueber Bau n. Wachstum d. Getreidehalms. Neujahrsblatt der

naturf. Ges. Zürich auf d. Jahr 1889. Mit einer Tafel. 46. Studien über die Aetiologie der Cholera. Hygieinische Tagesfragen. VII. München 1889.

1890. 47. Ueber eine monströse Gentiana excisa Presl. Gemeinschaftl. mit Prof.

Brügger. Jahresbericht d. naturf. Gesellschaft Graubündens. XXXIII. Chur 1890. Mit 1 Tafel.

48. Die Brandkrankheiten d. Getreidearten nach d. neuesten Stand der Frage. Vortrag, gehalten vor prakt. Landwirten im Febr. 1890. Landw. Jahrbuch d. Schweiz. Bd. IV. 1890.

49. Ueber d. verticilUerten Siplioneen, insbesondere Neomeris und Bor- netcUa. Mit 4 Tafeln. Denkschriften d. Schweiz, nat. Ges. XXII. ± 1890.

1891. 50. Ueber Caloylossa Leprieurii {Harveij) Agardh. Festschrift zur

Feier des 5()-jährigen Doktorjubiläums der Herren Prof. Dr. Carl Wilh. v. Nägeli und Prof. Dr. Alb. v. Kölliker, herausgegeben v. d. Universität, dem eidg. Polytechnikum u. d. Tierarzneischule in Zürich. Zürich 1891. 51. Ueber das Verhältnis von Chlorodictyon foliosum Ag. und Ramalina reticulata Krplh. Berichte d. Schweiz, bot. Ges. Heft I. 1891. Mit 3 Taf.

1893. b"!. Nachtrag zu den Untersuchungen über Oligodynamik von C. v. Nägeli.

Denkschriften d. Schweiz, nat. Ges. XXXIII. 1. 1893.

1894. 53. Bemerkungen zu der Abhandlung: Ueber oligodynamische Erscheinungen

in lebenden Zellen, v. G. v. Nägeli. V. N. Z. XXXIX. 238. 1894.

1895. 54. Ueber Ilalicoryne Wrighüi Harvey (mit einer Tafel). N. V. Z.

XL. 265. 1895. 55. Dr. Ernst Stitzenberger. Nekrolog. V. N. Z. XL. 405. 1895. .56. Die Siphoneen. Ein Kapitel in: C. Keller, Das Leben des Meeres.

Mit 15 Textfiguren. Leipzig 1895.

1896. 57. Leben u. Wirken v. Carl v. Nägeli. Zürich, bei Fried. Schulthess. 1896.

Der Druck in der Mündungsebene beim Ausströmen elastischer

Flüssigkeiten.

Von A. Fliegner.

Unter der Überschrift: „Beitrag zur Theorie des Ausströmens der elastischen Flüssigkeiten" habe ich vor einiger Zeit in dieser Yierteljahrsschrift ') auf dem Wege der Rechnung nachzuweisen gesucht, dass bei einem solchen Ausströmen der Druck in der Mün- dungsebene stets grösser bleibt, als der Druck der umgebenden, ruhenden Flüssigkeit. Bei den folgenden Entwickelungen werde ich mich auf diese Untersuchung beziehen, bin aber genötigt, die dort benutzten Formeln in einem unwesentlichen Punkte zu ändern. Ich muss daher den ganzen dort befolgten Gedankengang hier kurz wiederholen und dabei die Änderungen begründen.

Die Geschwindigkeit w,^ in der Mündungsebene und das aus- strömende Flüssigkeitsgewicht G hängen ausser von dem Zustande 2)i, Vi, Ti im Ausflussgefäss und dem Drucke 'p„^ in der Mündungs- ebene auch von den Bewegungswiderständen und dem Wärme- austausche mit den Mündungswandungen ab. Da sich die beiden letzten Einflüsse aus Versuchen nicht getrennt bestimmen lassen, so habe ich schon bei einer früheren Gelegenheit'^) den thatsächlich vorhandenen Wärmeaustausch vernachlässigt und die Abweichung der Zustandsänderung von der adiabatischen als nur von den Widerständen herrührend angenommen. Dann wird für Gase, für die allein weiter gerechnet werden kann, die Zustands- änderung polytrop! seh nach j; i?'' = const, und es ergiebt sich,

') 42. Jahrgang, 1897, Seite 317— oiG. Weiterhin mit ,7." angeführt. ■-) , Versuche über das Ausströmen der atmosphärischen Luft durch gut abgerundete Mündungen", Civilingenieur, 1877, Band XXIII, Seite 443—510.

Weiterhin mit „C." angeführt.

A. Fliegner.

wenn )i den Quotienten der beiden spezifischen Wärmen bedeutet^ mit den sonst üblichen Bezeichnungen:

(3)

Pi ) \ Pi )

Hier soll noch gleich die kürzere Bezeichnung eingeführt werden:

Weiterhin brauche ich die Zahlenergebnisse dieser älteren Versuche, und ich muss daher jetzt die obigen allgemeineren For- meln benutzen, während ich neulich einfach mit /. = n gerechnet hatte.

Die Vorgänge im freien Strahl aussen nach dem Verlassen der Mündungsebene Hessen sich nur angenähert verfolgen. Unter Ein- führung von Mittelwerten für die Geschwindigkeit w und die Zustandsgrössen jj, v, T in jedem Querschnitt ergab sich dafür, „F.", Seite 338, die Glchg. (35):

dWr

(4)

M diu = d\F {}) pa)\

O

wo M=^Glg ist, jj„ den äusseren Druck, dW^ die durch Wider- stände aufgezehrte Arbeit bedeutet.

Diese Gleichung hatte ich dann von der Mündungsebene bis zur Beruhigung integriert und darauf iv,,, nach Glchg. (1) durch Pjj^ ausgedrückt gedacht, wodurch sich ein Zusammenhang zwischen Pmi Pi und Pa ergab. Eine weitere Rechnung war aber nicht möglich, weil das Gesetz, dem die Widerstände folgen, nicht be- kannt war. Ich konnte daher auch das eingangs angegebene Ver- halten des Druckes in der Mündungsebene nicht eigentlich streng beweisen, sondern musste mich damit begnügen, es wenigstens möglichst wahrscheinlich zu machen.

1) S. Zeuner, Teclm. Thermodynamik, 1900, I. Teil, Seite 240, Glchgn. (33) und (34); nur habe ich hier die Bezeichnungen n und y. miteinander vertauscht.

Der Druck in der IMündungsebene heim Ausströmen elast. Flössiirkeiten. ^3

Nim geht aber noch ein weiterer Schritt in dieser Richtung zu thun, gestützt auf Versuche von E. Mach und Salcher'), von L. Mach-) und von R. Emden ^). Diese Beobachter haben aus- strömende Gasstrahlen belichtet und das Lichtstrahlenbündel auf einem in passendem Abstand angebrachten Schirm aufgefangen. Infolge der Strahlenbrechung beim Durchgange durch den Gas- strahl entstand auf diesem Schirm ein durch Brennlinien erzeugtes Bild, aus dessen Aussehen Schlüsse auf die Vorgänge im Strahle gezogen werden konnten. Bei kleinem Überdrucke zeigt das Bild allerdings keinerlei Besonderheiten. Bei grösserem dagegen sieht die äussere Begrenzung des eigentlichen Strahles wesentlich gleich aus, wie die eines Wasserstrahles mit Kontraktion: es folgen sich regelmässig Erweiterungen und Verengungen, die mit einer je nach den Verhältnissen verschiedenen, für die vorliegende Unter- suchung aber nebensächlichen Zeichnung in Hell und Dunkel be- deckt sind. Dieser Kern wird von einem, allerdings nicht auf allen Bildern deutlich erkennbaren, aber doch jedenfalls stets vor- handenen, divergenten Mantel mit unregelmässiger und weniger stark ausgesprochener Schattierung umgeben. Die ganze Zeichnung, namentlich die des Kernes, bleibt vollkommen ungeändert, so lange sich die Pressungen nicht ändern.

Aus diesem Aussehen der Bilder hat schon E. Mach gefolgert, und die anderen Beobachter stimmen ihm im wesentlichen durch- aus zu, dass sich bei grösserem Überdruck im Gasstrahle Wellen ausbilden, die von E. Mach als konische, von Emden als longitudinale bezeichnet werden. Da sich solche Wellen im Strahle mit der Schallgeschwindigkeit fortpflanzen müssen, und da sie sich gleichzeitig als stationär ergeben haben, so beweise das, dass sich der Strahl selbst nach aussen zu auch mit der Schallgeschwindigkeit bewegt. Nur L. Mach scheint, wenn ich ihn recht verstehe ^), anzunehmen, dass die Strömungsgeschwin- digkeit bei grösserem Überdrucke grösser wird, als die Schall- geschwindigkeit. Dieser Auffassunsr kann ich mich aber nicht

1) Sitzgsher. d. Akad. Wien. ISS«), Bd. XCIVIII, Aiitlg. II n, Seite l.m'!. -1 Ebenda, 1897, Hd. CVI, Abtlg. II a, Seite 1025.

^) ,i'ber die Ausströmungserscheinungen permanenter Gase". Haliiiitalions- r^chrift, Leipzig, Job. Am})r. Barth.

*} Z. B. a. 0. 0., Seite lüil-, Zeile 12 hh '.) von unten.

^4 A. Fliegner.

anschliessen ; sie steht auch im Widerspruche mit der von Anderen aus dem Verhalten der Formeln und aus Versuchen über Ausfluss- mengen als wahrscheinlich hergeleiteten Annahme, dass die Aus- strömungsgeschwindigkeit höchstens der Schallgeschwindigkeit gleich werden könne. Dass aber diese Grenzgeschwindigkeit bei genügend grossem Ul)erdrucke auch wirklich erreicht wird, ist doch erst durch solche Strahlbilder streng nachgewiesen worden. Emden hat ausserdem auf dem Wege der Rechnung gezeigt, dass sich dabei die in der Mündungsebene in Form von Überdruck noch verfügbare Energie bei der weiteren Bewegung aussen in relative Schallschwingungen umsetzt.

Unabhängig von diesen Beobachtern und auf ganz anderem Wege, nämlich durch unmittelbare Druckmessungen, hat Parenty*) gefunden, dass sich auch in einem unter grösserem Überdruck aus- strömenden Dampf strahle der Querschnitt und die Pressungen in wechselndem Sinne ändern. Er erhielt aber keinen so regelmässig periodischen Verlauf, für den Querschnitt, weil er Kern und Mantel nicht von einander trennen konnte, für die Pressungen vielleicht deswegen, weil er mit ungeeigneten Hülfsmitteln gearbeitet hat. Um den Druck im Inneren des Strahles zu beobachten, hat er nämlich zugespitzte Glasröhrchen in ihn eingeführt. Die Zuspitzung war aber nach seiner Figur 7, auf Seite 314, verhältnismässig stumpf ausgefallen, und ich muss daher auf Grund eigener Er- fahrungen-) annehmen, dass der Strahl dadurch in seiner natür- lichen Ausbildung zu stark gestört wurde, und dass daher die Druckbestimmungen keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit machen können. Das ist auch wahrscheinlich der Grund, warum Parenty nicht erkannt zu haben scheint, dass es sich um Schallschwingungen handelt. Dabei nehme ich allerdings als selbstverständlich an, dass sich ein Dampf in dieser Richtung wesentlich gleich verhält, wie ein Gas.

Der vorhin erwähnte Kern muss der Entstehung der Belich- tungsbilder nach in seinem Umrisse den Umriss des Gasstrahles selbst richtig wiedergeben. Daraus folgt nun zunächst, dass sich in diesem Kerne die einzelnen Flüssigkeitsteilchen im allgemeinen

') Annales de Cliimie et de Physique, vSer. VII, 1897, Bd. XII. Seite 289—373.

-j „Versuche über das Ausströmen von Luft durch konisch divergente Rohre". Schweiz. Bauztg. 1S98, Bd. XXXI, Seite G9, links, erster dort beginnen- der Alisatz.

Der Druck in der Mündungsebene beim Ausströmen elast. Flüssigkeiten. 25

in welligen Linien bewegen. Und das deutet weiter auf das Vor- handensein von Normalkräften, die ihrerseits nur durch eine Verschiedenheit der Pressungen in benachbarten Fäden hervor- gerufen sein können, wobei aber die äussersten Fäden stets unter dem Drucke der Umgebung stehen. Daraus ergiebt sich nun fol- gende Änderung der Pressungen im Verlaufe der Bewegung: Un- mittelbar ausserhalb der Mündungsebene ist der Überdruck von innen nach aussen zu gerichtet, und die einzelnen Gasteilchen be- wegen sich divergent in nach aussen zu hohlen Bahnen. In dem Querschnitt, in welchem dann die Wendepunkte der Bahnen liegen, herrscht in allen Punkten der äussere Druck, wobei es allerdings dahingestellt bleiben muss, ob das in einem ebenen oder gekrümmten Querschnitte geschieht. Bis zu den nächsten Wendepunkten kehren die Bahnen jetzt die hohle Seite nach innen, und es herrscbt im Inneren des Strahles ein kleinerer Druck, als in der Umgebung. Nachher wird der Druck innen wieder grösser als aussen, und so wiederholt sich die Änderung weiter.

Umgekehrt w^ie die Pressung verläuft die Geschwindigkeit. Diese hat also in der Mündungsebene und in den Knotenpunkten kleinste Werte, in den Bäuchen grösste, während die Geschwindig- keit in den Wendepunktsquerschnitten einen mittleren Wert an- nimmt. Diejenige Geschwindigkeit, welche man als die mittlere Fortbewegungsgeschwindigkeit des ganzes Strahles ansehen muss, und die, Avie vorhin gezeigt wurde, der Schallgeschwindigkeit gleich ist, liegt nun zwischen den beiden Grenzgeschwindigkeiten, und man wird sie angenähert gleich der Geschwindigkeit in den Wende- punktsquerschnitten setzen dürfen. Diese Annahme soll wenigstens weiterhin gemacht werden, um eine Rechnung überhaupt zu er- möglichen. Jedenfalls muss aber hiernach die Geschwindigkeit in der Mündungsebene noch kleiner sein, als die Schall- geschwindigkeit.

Der den Kern des Strahles umhüllende Mantel wird natürlich von solchen Gasteilchen gebildet, die sich mit dem umgebenden Gase gemischt und dieses dadurch mit in Bewegung gesetzt haben, während ihre eigene Geschwindigkeit entsprechend kleiner geworden ist. Diese ganze, nach aussen zu stetig wachsende Gasmasse be- findet sich neben ihrer langsameren, fortschreitenden auch noch in unreselmässig wirbelnder Bewegung.

26 A. F'liegner.

Aus den vorstehenden Erörterungen folgt nun, dass in dem ausgetretenen Strahle drei verschiedene Bewegungswiderstände auftreten, nämlich : 1) innere gegenseitige Reibung der einzelnen Gasteilchen, 2) Mitreissen von Gasteilchen der Umgebung und 3) Ausbildung von Schallwellen. Die beiden ersten Widerstände treten bei allen Pressungsverhältnissen auf, der dritte dagegen nur bei genügend grossem Überdrucke.

Bei meiner neulichen Veröffentlichung glaubte ich noch, die für die Bewegung aussen geltende Glchg. (4), „F.", Glchg. (35), müsse von der Mündungsebene bis zur vollständigen Beruhigung- integriert werden. Für diese Grenzen geht aber der eben als zweiter angegebene Widerstand gar nicht näher zu bestimmen, weil es vollständig unbekannt ist, welche Menge der umgebenden elastischen Flüssigkeit in jedem Querschnitte mitgerissen worden ist, und welche fortschreitende Geschwindigkeit in diesem Mantel herrscht. Auch dürfte weiter aussen die Einführung einer mittleren Geschwindigkeit im ganzen Querschnitte, rascher bewegtem Kern und langsamer strömendem Mantel, kaum mehr zulässig sein. Auf diesem Wege kann man also höchstens noch einige allgemeine Schlüsse ziehen, wie ich es damals versucht habe.

Dagegen kommt man zu weiteren Ergebnissen, wenn man zunächst bei grösserem Überdruck, als obere Grenze der Inte- gration der Glchg. (4) den ersten Wendepunktsquerschnitt einführt, in welchem also zum ersten Mal im Strahle nach dem Verlassen der Mündungsebene die Druckausgleichung mit der Um- gebung eingetreten ist. Dieser Querschnitt liegt, wie aus den Messungen namentlich von Emden folgt, stets verhältnismässig so nahe vor der Mündungsebene, dass sich auf dieser kurzen Strecke jedenfalls nur eine ungemein kleine Flüssigkeitsmenge vom Kerne des Strahles losgetrennt haben kann. Es erscheint daher zu- lässig, die Mantel bildung bis dorthin überhaupt angenähert unbe- rücksichtigt zu lassen. Dann fällt der unbequeme zweite Wider- stand ganz aus der Betrachtung heraus.

Der erste Widerstand, die innere Reibung, muss aussen wesent- lich gleich berücksichtigt werden können, wie es innerhalb der Mündungsebene geschieht, nämlich durch passende Bestimmung des Gesetzes der Zustandsänderung. Es ist mir aber nicht ge- lungen, aus den allgemeinen thermodynamischen Grundformeln

Der Druck in der Mündungsebene Iteiin Ausströmen elast. Flüssigkeiten. -11

ein solches Gesetz herzuleiten, so class nichts anderes übrig bleibt, als es rein empirisch anzunehmen. Dabei scheint es berechtigt, dieses Gesetz mit Rücksicht darauf zu wählen, dass die zu ent- wickelnden Formeln möglichst einfach ausfallen. Und das geschieht für eine polytropische Zustandsänderung. Der Exponent der zugehörigen Gleichung müsste auf Grund von Versuchen bestimmt werden; und da er dann auch die in Glchg. (4) schon enthaltenen Annäherungen mit ausgleichen muss, so wird es nicht ausgeschlossen sein, dass sich sein Zahlenwert vielleicht mit der Grösse des Über- druckes ändert. Jedenfalls muss er aber von dem innerhalb gel- tenden Exponenten z verschieden sein, da die Bewegung innen und aussen unter wesentlich verschiedenen Verhältnissen vor sich geht und auch nach teilweise verschiedenen Formeln berechnet werden muss.

Hier weiche ich von Hugoniot und von Emden ab, die Beide aussen die gleiche polytropische Kurve benutzen wie innen. Dass das im Besonderen die Adiabate ist, bleibt für den vor- liegenden Zweck unwesentlich. Mit dieser Annahme kommen aber Beide zu Ergebnissen, von denen einige mit den Beobachtungen im Widerspruche stehen. Auf einen solchen Widerspruch von Hugoniot habe ich schon neulich, „F.", Seite 324 und 325, hin- gewiesen. Emden dagegen folgert aus seinen Rechnungen, Seite 63 seiner Habilitationsschrift, dass der Druck im ganzen Strahlquer- schnitt unmittelbar nach dem Verlassen der Mündungsebene un- stetig in den Druck der Umgebung übergeht, während ich ausser- halb der Mündungsebene einen gelegentlich noch bedeutenden Überdruck nachgewiesen habe und zwar mit Hülfsmitteln, die den Druck jedenfalls nicht zu gross ergeben konnten '). Auch die vor- hin erwähnten Versuche von Parenty beweisen, trotz der Un- sicherheit der gefundenen Zahlenwerte, dass aussen im Strahle nicht überall der umgebende Druck herrscht.

Für die weiteren Rechnungen soll also angenommen werden, dass die Mittelwerte der Zustandsgrössen aussen nach dem Gesetze

;. - ^-^

(5) p V ' = const. oder T}) >■ = const.

zusammenhängen, mit A ^ k.

M , Versuche über das Ausströmen von Luft durch konisch-divergente Rohre." Schweiz. Bauzeitung, 1898, Bd. XXXI, Seite ü8 und Fortsetzungen.

28 A. Fliegner.

Um den dritten, durch die Ausbildung der Schallschwingungen verursachten Arbeitsverlust leichter in die Glchg. (4) einführen zu können, ist es zweckmässig, sie vorher umzuformen. Dividiert man sie durch G und berücksichtigt die Kontinuitätsbedingung

(6) O = Mg = = const.,

so findet man:

Integriert man nun diese Gleichung von der Mündungsebene mit j|;„j, r„„ w„^ bis zum ersten Querschnitt, in welchem 'p = j;„ ge- worden ist, in welchem also nach den vorigen Überlegungen an- genähert die Schallgeschwindigkeit, c, herrscht, so erhält man auf der linken Seite im Zähler einfach die Differenz c w^. Das erste Glied rechts verschwindet an der oberen Grenze, weil dort V = Va geworden ist, und es bleibt nur von der unteren Grenze + ^"m 0^™ Va^h^-'m Übrig. Auf die Bestimmung des Integrals des letzten Gliedes endlich führt folgende Überlegung: Dieses Glied enthält nur noch die Arbeits Verluste durch Entstehung der relativen Schallschwingungen. Würden sich keine solche Schwingungen ausbilden, so würde die Schallgeschwindigkeit c schon bei einem Drucke 2^c>Pa und einem zugehörigen spezifischen Volumen Ve<v„ erreicht sein, und es geht daher die ganze Zustandsänderung von 2)c^ r<, bis zur Druckausgleichung mit j^^, v^ für Vergrösserung der fortschreitenden Geschwindigkeit verloren. Daher muss sein:

(8) /

dWr Pc Pa

—- v„ ~

10

Hiernach wird also das Integral der Glchg. (7):

/ü^ C lVm ^, Pm—Pa Pc—pa

In dieser Gleichung müssen noch die Geschv/indigkeiten und Volume durch die Pressungen ersetzt werden. Dabei will ich, zur Vereinfachung der Formelschreibung, für die allein auftretenden Pressungsquotienten kurz die Bezeichnung

Der Druck in der Mündungsebene heim Ausströmen elast. Flüssigkeiten. -29

einführen und dieses 93 je mit dem gleichen Zeiger versehen, wie das zugehörige p. Für iv^ gilt dann Glchg. (1), nur schreibt sie sich jetzt:

(11) iv,^ = V2gRT,-^^(l - y,7^j,

während v„ nach den Beziehungen auf der poly tropischen Kurve wird:

i_

(12) t\a=V,(p~~^.

Die Änderung der mittleren Geschwindigkeit w im Querschnitt erfolgt aussen, da dort ein Wärmeaustausch mit der Umgebung auch als nicht vorhanden angenommen wird, nach dem Gesetze,, s. „F.", Glchg. (4) bis (9):

(13) '^{-W) = -^''^-

Würden sich keine Schallschwingungen ausbilden, so wäre hier- nach allgemein, von der Mündungsebene ausgehend:

w^—tif„, _ nll ^rp T^ = '^ T? T (-^ -^^ \

lg ~ n \ ^^"' ^^~ «-1 ^^^'l Ti T,n Tt )'

Ersetzt man in diesem Ausdrucke die Temperaturquotienten nach den polytropischen Zustandsänderungen durch die Pressungs- quotienten cp, so erhält man nach einfacher Umformung:

(14) ^^ = ^^ ^ r. (<p^- <r^ <pJ " ^\

Hieraus ergiebt sich schliesslich, mit t(;,„ aus Glchg. (11):

A— 1 1

(15) w=V2gRT,-^[l-^> ' cpj;

Würde man bei Abwesenheit von Schallschwingungen gerade die Schallgeschwindigkeit c erreichen wollen, so müsste man dem Pressungsquotienten (p einen Wert (p^ beilegen, der mit c der Glchg. (15) genügt. Es müsste also zwischen (p^ und c der Zu- sammenhano; bestehen :

(16) c^\2gRT,~^\l-q>, ' cp

II- 1

1 1

•^** A. Fliegner.

Für diese Schallgeschwindigkeit gilt aber ausserdem bekanntlich die allgemeine Gleichung:

1 ' ä V

In ihr muss der Differentialquotient dp;dv nach dem Gesetze der Zustandsänderung, also hier nach Glchg. (5), ausgedrückt werden. Diese Gleichung giebt ihn zu Xp/v, und daher wird c schliesslich, unter Einführung der (p:

l(jRTi(p, '■ (p]

(18) c = \

Setzt man die beiden Ausdrücke für c aus Glchg. (16) und (18) ein- ander gleich, so erhält man für den Zusammenhang von ry, und r/^,„ :

1 1

(19) (/>, >■ cp >■ - = ^^^^ oder

r ''"

(20) (p= - "^ w^~~^V^^

Das spezifische Volumen bei q)^ würde sein:

vm. 1 1 'f c

Alle diese Werte in (9) eingesetzt, ergiebt unmittelbar:

Hier hebt sich zunächst // weg. Multipliziert man dann rechts in den Zählern und Nennern mit Pi, so kann man in den Zählern die Differenzen der cp einführen, während sich PiVi = RTi eben- falls aus der ganzen Gleichung weghebt. Ferner geht das erste Glied links mit dem letzten Gliede rechts zu vereinigen. Wenn man endlich noch die Gleichung mit der Wurzel aus {n \)!2n multipliziert und sie auf Null bringt, so erhält man schliesslich:

Der Druck in der Jlündunii'sebene heim Ausströmen elast. Flüssiurkeilen. 31

f^^-ff))/^

M Q 1 1 '/" \ 1 / X (w 1) 1 / ^ —^ { -, qp„

(jp,. ist aus Glchg. (20) in Funktion von (p,^ eingesetzt zu denken, dann giebt Glchg. (22) den gesuchten Zusammenhang zwischen <jP„, und qPa, also auch zwischen ^,„, jj^ und pa für grösseren Über- druck. In Glchg. (22) ist er in eine Form gebracht, welche für Zahlenrechnungen bequemer ist.

Würde man dagegen c aus Glchg. (16) in Glchg. (9) einsetzen, so würde sich nach ähnlicher Umformung ergeben:

"I ^ 1 / 1 ,r^^ / 1 '/« ^ ^' 1 'f'

(23) /1-T. '• '/•:■ "-^1-'?./ = 1-^

'In

1/ ^

A-l 1

7m/ 2 W

1/ ^^^^^

und aus dieser Form ist sofort ersichtlich, dass für l = x die Potenz von cp,,, als Faktor der Potenz von ff^ verschwindet, und dass dann der Gleichung durch gi^ = cp^ oder p^ = 2h genügt wird. Setzt man also aussen und innen die gleiche Zustandsänderung voraus, so findet man, dass die Schallgeschwindigkeit schon in der Mündungsebene auftreten müsste, während sie thatsächlich erst in einem weiter aussen liegenden Querschnitte zwischen der Mündungsebene und dem ersten Bauch erreicht wird. Es musste also l von x verschieden eingeführt werden.

Bei kleinerem Überdrucke, durch den die Schallgeschwin- digkeit überhaupt nicht mehr erzeugt werden kann, entstehen im ausgetretenen Strahl auch keine Schallwellen, wie die Versuche mit Belichtung gezeigt haben. Folglich fällt auch der daher rührende Widerstand weg. Da jetzt der in der Mündungsebene noch vorhandene Überdruck bedeutend kleiner ist, als vorhin, so wird man annehmen dürfen und müssen, dass die Druckausgleichung mit der Umgebung hier eher noch rascher eintreten wird als vor- hin, dass also der Arbeitsverlust durch Mischung mit der äusseren Flüssigkeit erst recht genügend klein bleibt, um hier ebenfalls vernachlässio-t werden zu dürfen.

:^ä A. Fliegner.

Es ist daher nur der Arbeitsverlust durch innere Reibung zu berücksichtigen. Dieser wird hier am einfachsten ebenso einge- führt, wie vorhin, durch Annahme einer polytropischen Zustands- änderung. Nur wird der Exponent in der zugehörigen Gleichung vielleicht einen anderen Wert erhalten müssen, und er soll daher gleich mit u bezeichnet werden.

In dem ersten Querschnitt, in welchem die Druckausgleichung eingetreten ist, hat das Pressungsverhältnis (f den Wert g)„ er- reicht. Die zugehörige mittlere Geschwindigkeit, ?(„, berechnet sich dann nach Glchg. (15), nur mit (pa statt cp und mit statt A. Sie wird daher:

(24) w^=y2gRT,^^\l-cp,^^ <p

n l

Glchg. (7) gilt hier auch, sie vereinfacht sich aber, weil d Wy verschwindet. Integriert man sie von der Mündungsebene bis zum ersten Querschnitte der Druckausgleichung, wo jj = 2^a ist,^ so erhält man den einfacheren Ausdruck

Wa lOm _ . Pm— Pa

(2^) = v„

Eine ähnliche Umformung, wie von Glchg. (9) zu Glchg. (22), liefert hieraus für den Zusammenhang zwischen g),^ und (pa bei kleinem Überdrucke die Gleichung:

1

(26) /l-g.„" cp,;:' «-/Ig..'' -1-^77^." . .- .=0

^ ^\ n l y,/

(fmj 2;i 1/ i^

Die in den vorstehenden Formeln auftretenden Exponenten ■/.. Ä und u müssen aus Versuchen bestimmt werden. Dazu stehen mir nur meine eigenen, oben erwähnten Versuche mit gut abge- rundeten Mündungen zur Verfügung. Aus diesen hatte ich schon damals eine empirische Formel für den Zusammenhang zwischen den Pressungsverhältnissen g)„, und cp^ hergeleitet, s. „C", Seite 462, Glchg. (1), weil aus den Versuchen hervorgieng, dass es dabei nur auf diese Verhältnisse ankommt, aber nicht auf den Zahlenwert der Pressungen selbst, ein Ergebnis, das durch die obigen Entwickelungen durchaus bestätigt wird. Die Gestalt

Der Druck in der Mündungseljene l)eiin Ausströmen elast. Flüssii^keiten. 33

dieser Formel und namentlich die Zahlenwerte der darin auf- tretenden Konstanten waren, im Anschluss an die gebräuchlichen Anschauungen, unter der Voraussetzung bestimmt, dass derjenige Grenzdruck, der die Ausflussmenge G nach Glchg. (2) zu einem Maximum macht, in der Mündungsebene erst beim Ausströmen in einen vollkommen leeren Kaum, dann aber auch wirklich er- reicht wird. Damit die Formel für g5„, =f(spa) die Versuche nicht nur über die Pressungen, sondern auch über die Ausflussmengen möglichst gut wiedergab, musste ich den Exponenten der poly- tropischen Kurve innen x = 1,37 wählen, trotzdem die Grenzwerte von cp,„ und Cr, oder xji nach Glchg. (3), beide gegenüber den Ver- suchen eher etwas zu gross ausfielen. Sie ändern sich aber beide im entgegengesetzten Sinne, wenn z einen anderen Wert erhält, und es war daher keine wesentlich bessere Übereinstimmung er- reichbar.

Es fragt sich aber, ob diese Auffassung jetzt noch beizu- behalten geht.

Für die Bewegung vom Inneren des Gefässes bis zur Mündungs- ebene sind bei den vorstehenden Entwickelungen nur Widerstände berücksichtigt worden. Dabei entspricht die polytropische Zu- standsänderung jj-y" = const. einer durch Reibung erzeugten, stets mitgeteilten Wärmemenge vom Betrage:

(27) dQr = rc„dT, mit r = const. und > 0.

Bei einfachen Gefässmündungen bleibt ununterbrochen d T< 0, und ich habe daher rechts gleich das negative Vorzeichen hinzugefügt, damit r eine wesentlich positive Grösse wird. Thatsächlich findet aber auch ein gewisser Wärmeaustausch mit den Mün- dungswandungen statt, den man ebenfalls proportional der Tempera- turänderung annehmen kann. Bei den einfachen Gefässmündungen handelt es sich dabei stets um eine Wärmeaufnahme, und es soll daher diese Wärmemenge auch in der Form :

(28) dQ = ni Cy d T, mit »i const. und > 0

eingeführt werden. Die Zustandsänderung bleibt dabei poly tro- pisch, nur mit

/^QN Cp-\-mCv + rcy _ n + m-j-r

^'^'^^ '^^ Cv + mcv + rcv ~ 1+m + r- '

Vicrteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. XLVII. 1902. 3

34 A. Fliegner.

die Formeln (1) und (2) ändern sich dagegen, gleich mit cp nach Glchg. (10), in:

(30) IV,,

|/2,yi^r,^^(l-.pf^),

(31) G = i^Pi\ j^rf- ^^^^ \qp,„ _ (p. ;.

G nimmt hier, wie immer, einen grössten Wert an für:

(32) ^.^« = (-4^)^.

Berechnet man den zugehörigen Wert von iv^^ ^ iVa nach Glchg. (30), so erhält man:

(33) ,,„^|/2^Är,^^-J^.

Wegen der polytropischen Zustandsänderung ist nun, mit (32):

(34) T^=^Ajt) ' =^^»-

Führt man dieses T^ in Glchg. (33) ein und ersetzt dann das im Zähler noch stehen bleibende x nach Glchg. (29), so erhält man schliesslich die Grenzgeschwindigkeit ?^a in ihrer Abhängigkeit von der Temperatur T,„ in der Mündungsebene zu:

(35) „,„=)/=|±|z;i^.

Bei einer polytropischen Zustandsänderung nach ])v'' = const. wird dagegen die der Temperatur jP,„ entsprechende Schallgeschwin- digkeit, vergl. Glchg. (17) und (29):

(36) c = ]lv.gRT,^ ]pi^^;^^ .

Diese Berechnung der Schallgeschwindigkeit erscheint zulässig, weil ausdrücklich angenommen wurde, dass die Temperatur vom Inneren des Gefässes bis zur Mündungsebene ununterbrochen ab- nimmt. Aus demselben Grunde durfte auch vorhin aussen für c auf dem gleichen Wege Glchg. (18) hergeleitet werden, weil von der Mündungsebene bis zum ersten Querschnitt, in dem c auftritt, der Druck und daher auch die Temperatur ununterbrochen weiter

Der Druck in der Münduni,'sel)ene beim Ausströmen elast. Flüssigkeiten. 35

sinken. Würde es sich dagegen darum handeln, die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Schallwellen in einem Gase zu bestimmen, das selbst durch ein Rohr strömt, so müsste man teilweise anders vorgehen. Die Widerstände und ein Wärmeaustausch mit der Umgebung dürften dann nicht mehr ohne weiteres nach den ^ Gleichungen (27) und (28) eingeführt werden, denn dann würde in den Schallwellen die Temperatur im allgemeinen abwechselnd abnehmen und wieder wachsen; für dQ^ müsste also ein ganz anderes Gesetz gesucht werden, das unabhängig vom Sinne der Temperaturänderung dQ^ ununterbrochen positiv ergiebt. Dasselbe würde auch vom äusseren Wärmeaustausche dQ gelten, wenn die Temperatur im Rohre von der Temperatur der Umgebung un- unterbrochen im gleichen Sinne abweicht. Solche Gesetze würden aber nicht mehr so einfach gestaltet sein, und sie würden daher auch verwickeitere Ausflussformeln ergeben.

Aus den beiden letzten Glchgn. (35) und (36) folgt nun, dass der Grenzdruck, welcher die Ausflussmenge zu einem Maximum macht, in der Mündungsebene eine Geschwindig- keit erzeugt, die kleiner bleibt, als die zur dortigen Temperatur gehörige Schallgeschwindigkeit. Sonst nimmt man allgemein an, das Maximum der Ausflussmenge werde stets mit der Schallgeschwindigkeit erreicht. Die Glchgn. (35) und (36) lassen aber erkennen, dass das nur möglich wäre für

/• = 0,

also für eine widerstandslose Bewegung, während ein äusserer Wärmeaustausch auf diese Verhältnisse keinen Einfluss ausül)t.

Da nun bei einer Bewegung stets Widerstände auftreten, so bestätigen diese Rechnungen die Ergebnisse der Belichtungsversuche, dass die Geschwindigkeit in der Mündungsebene jedenfalls kleiner bleibt als die Schallgeschwindigkeit, und dass die Schallgeschwin- digkeit selbst bei genügend grossem Überdrucke erst ausserhalb der Mündungsebene erreicht werden kann.

Ob aber der Druck, der sich dann in der Mündungsebene einstellt, den Grenzwert der Glchg. (32) wirklich erreicht oder mit ihm überhaupt zusammenhängt, lässt sich aus den Formeln nicht mit Sicherheit entscheiden. Da aber zwischen den drei Pressungen pi innen, p^ in der Mündungsebene und j;„ aussen

36 A. Fliegner.

jedenfalls ein Zusammenhang nach Art der Glchg. (22) besteht, so wäre p,„ durch eine weitere, aus Glchg. (2) hergeleitete Be- dingung eigentlich überstimmt. Aus Glchg. (22) würde dann j;^ ganz fortfallen und diese Gleichung einen bestimmten Zusammen- hang zwischen j;,- und j^a ergeben, während diese beiden Pressungen thatsächlich gegenseitig ganz unabhängig sind. Es scheint daher doch meine ältere Ansicht^), der auch Grashof beipflichtet-), die richtige zu sein, dass der Grenzwert des Druckes in der Mündungs- ebene mit dem Maximum der Ausflussmenge in keiner Be- ziehung steht.

Eine endgültige Entscheidung dieser Frage ginge nur durch Versuche zu treffen, aber meine eigenen besitzen die dazu nötige Genauigkeit nicht. Ich konnte nämlich die Druckbeobachtungen nur bei abnehmendem Drucke vornehmen, und dabei störte es, dass die verschiedenen gleichzeitig benutzten Manometer ver- schiedene Trägheit besassen. Durch Vertauschung der Manometer bei den verschiedenen Versuchsreihen habe ich allerdings diesen Einfluss möglichst unschädlich zu machen gesucht. Ausserdem waren aber noch zwei weitere, im gegenseitig entgegengesetzten Sinne wirkende Störungen vorhanden. Beobachtet ist nämlich eigentlich gar nicht der Druck in der Mündungsebene selbst, sondern der in einem zwar möglichst nahe daran, aber doch inner- halb gelegenen Querschnitte, wo ein entsprechend etwas grösserer Druck herrscht. Dagegen wird er umgekehrt durch etwaige Ver- letzungen der Mündungskante verkleinert. In dieser Richtung zeigte sich sogar gewöhnlich ein Saugen, wenn der Arbeiter die Mündung nach der Bearbeitung mit dem Drehstahle noch mit einem eingeführten Holzstabe poliert hatte. Es scheint also nament- lich eine Verletzung der Mündungskante von Einfluss zu sein, und da eine solche kaum jemals ganz vermieden werden kann, so werden die kleineren beobachteten Werte von (p^ als weniger zu- verlässig angesehen werden müssen. Zur Bestimmung von /. für die folgenden Rechnungen habe ich mich daher mehr an die grös- seren Werte gehalten, wobei allerdings eine willkürlichere Ein- schätzung nicht umgangen werden konnte.

') S. Civilingenieur, 1874. Bd. XX, Seite 26, oben.

2j Theoretische Maschinenlehre, Bd. I, Seite 580, letzter Absatz von § 102.

Der Druck In der Mündungsebene beim Ausströmen elast. Flüssigkeiten. 37

Nach den vorigen Überlegungen scheint der Grenzwert von p„ und 9),„ mit dem Maximum von i/' in keinem Zusammenhange zu stehen. Es erscheint aber auch widersinnig, anzunehmen, dass V' mit abnehmendem Werte von cp^ nach Überschreiten seines Maximums wieder abnehmen sollte. /. muss also so gewählt werden, dass der Wert von ip ununterbrochen innerhalb seines Maximums bleibt, und dazu ist nötig, dass f/i,„ den Grenzwert a, Glchg. (32), nicht nur nicht unterschreitet, sondern sogar nicht einmal erreicht. Um das zu sichern, musste ich den Wert von a kleiner einführen, als früher, was einen grösseren Wert des Exponenten z erforderte. Ich habe daher hier nicht mit X = 1,37 gerechnet, sondern habe schätzungsweise

(37) X -= 1,38

gewählt, ohne aber damit behaupten zu wollen, dass das auch der richtige Wert sei. Der geht aus den vorliegenden Versuchen noch gar nicht zu bestimmen.

Den zweiten Exponenten l, der bei grösserem Überdrucke für die polytropische Zustandsänderung aussen gilt, wollte ich zuerst auf seinem ganzen Gebiete konstant einführen. Das zeigte sich aber unzulässig, weil sich dabei die Kurve (pm =f {(pa) als eine gekrümmte Linie mit einem Maximum ergab. Ich musste also Z veränderlich zulassen, und habe, nach einigen weiteren Ver- suchen, dafür das rein empirische Gesetz:

(38) A = 1,593-0,2117 1/^

aufgestellt und bei den weiteren Rechnungen benutzt. Dieses Gesetz kann allerdings auch nicht richtig sein, weil die damit gefundene Kurve für </^,„ zwischen q^a = ^ ^^"d 'Pa = 04 umgekehrt ein Minimum besitzt. Dagegen wächst (p,,^ auf dem durch die Versuche gedeckten Gebiet, also von cp^ <^ 0,1 bis fp^ > 0,.'') stetig, wie es von vorneherein und auf Grund der Beobachtungen er- wartet werden muss. Die mit Glchg, (38) erhaltene Kurve (fm ^=f{!Pa) habe ich in Fig, 1 eingezeichnet und zur Vergleichung in den kleinen Punkten die beobachteten Werte von f/i,„ nach „T'.", „Versuche über Pressungen", hinzugefügt, soweit diese Punkte neben einander Platz hatten. Die Auswahl habe ich so getroffen, dass ich nur zwischenliegende Punkte weggelassen habe. Immerhin

38

A. Fliegner,

giebt die Darstellung insofern kein ganz richtiges Bild der Ver- suchsergebnisse, als die so ausgewählten Punkte nicht mehr alle

das gleiche Gewicht besitzen.

1,0

Fig. ]

.

0,9

/

0,8

i

/

0,7

/

0,6

.^ . .-^^

1

1 1

<; 0,5

0,4

>~- 0 ^

. * . \:., .». . ^

.....j

_ _ _ .

1 ' ^'

(fo. ^ 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

Um eine bessere Übereinstimmung der berechneten Werte von ^,„ mit den beobachteten zu erhalten, müsste man für \ ein verwickelteres Gesetz annehmen. Dabei ist es selbstverständlich, dass man jeden beliebigen Grad der Übereinstimmung erreichen kann, wenn man nur in dem Ausdrucke für A eine genügende Anzahl von Konstanten zur Verfügung stellt. Das Ausprobieren eines solchen Gesetzes erfordert aber äusserst zeitraubende Zahlen- rechnungen, weil die Gleichungen transcendent sind, und doch würde der schliesslich für A gefundene .Ausdruck rein empirischen Charakter beibehalten. Da ausserdem die experimentelle Grund- lage noch recht unsicher ist, habe ich keine weiteren Versuche in dieser Richtung angestellt.

Aus der für kleinen Überdruck geltenden Glchg. (26) ist sofort ersichtlich, dass 9p« = qp« eine Lösung wäre, denn dann verschwände das dritte Glied ganz, und im ersten fiele der Ex- ponent [i weg, so dass es dem zweiten Gliede gleich werden würde. Dem Exponenten [i selbst könnte man dabei noch jeden beliebigen Wert beilegen. Die Gleichheit von qp,„ mit gj^ wird aber durch

Der Druck in der Mündungsehene beim Ausströmen elast. Flüssigkeiten. 'M

die Versuche nicht bestätigt, und man muss daher eine zweite Lösung der Glchg. (26) suchen, die dann von abhängig zu er- warten sein wird. Und eine solche giebt es in der That.

Eine Vergleichung mit den Versuchen hat nun gezeigt, dass der Exponent u auf seinem ganzen Gebiete allenfalls konstant angenommen werden dürfte. Man erhält aber doch eine bessere Übereinstimmung, wenn man

(39) ^t = 1,407+ 0,011 ^„

setzt. Die hiermit nach Glchg. (26) gefundene Kurve fpm=f(fpa) ist in Fig. 1 ebenfalls eingetragen. Hinzugefügt ist noch die unter 45° geneigte, gestrichelte Qerade, in der die Punkte q)„, = cp^ liegen würden.

Der Übergang von den für grossen zu den für kleinen Über- druck geltenden Formeln muss vorgenommen werden, wenn

(40) Cp, = <Pa

ausfällt.. Dann wird in Glchg. (22) der Faktor der ersten Wurzel der Einheit gleich. Führt man ausserdem unter dieser Wurzel nach Glchg. (20) qj^, also hier auch g)„ ein, so ergiebt sich, unter Benutzung der gleichzeitig geltenden Glchg. (26), zur Berechnung des Übergangspunktes die Doppelgleichung:

r^-i _i L 1/ A'-l X

K

<la \ 11 \ </•„,

1-9,/ + 1

■fm f 2w 1/ K-l

|/;~

Die erste dieser Doppelgleichungen wird befriedigt durch f.i = l. Wenn man aber das zugehörige cp^ = (pc aus den Glchgn. (38) und (39) bestimmt und dafür dann qp^ aus Glchg. (20) oder (19) be- rechnet, so findet man (p^ > 0,9, also einen unmöglichen Wert. Es muss also noch eine andere Lösung mit ^ l vorhanden sein, die sich jedoch nur durch umständliches Probieren finden liesse. Ich habe mich daher damit begnügt, den Schnittpunkt nur auf zeichnerischem Wege zu bestimmen. Zu diesem Zwecke habe ich die Kurve für kleinen Überdruck noch bis cp„ = 0,5 berechnet, den für grossen Überdruck geltenden Ast dagegen nur einfach

40

A. Fliegner.

stetig etwas verlängert. Dieser Ast verläuft nämlich bei dem angenommenen Gesetze für l zwischen cp^ = 0,5 und 0,6, S-förmig goki-ümmt, wieder nach abwärts.

Soweit die Werte von l und u benutzt werden, bleiben sie grösser als n, das seinerseits hier, wie früher, mit 1,41 eingeführt ist. Infolge der doch vorhandenen Widerstände sollte man aber eigentlich beide Exponenten kleiner als n erwarten. Dieser schein- bare Widerspruch erklärt sich leicht dadurch, dass in l und ,u nicht nur die Widerstände berücksichtigt sind; diese Grössen müssen vielmehr auch die der ganzen Formelentwickelung zu Grunde liegenden Annäherungen ausgleichen.

Fi^.- ±

0,03

= o

Für die so gefundenen Werte von q),„ habe ich dann noch die mit der Ausflussmenge zusammenhängenden Werte von VN Glchg. (3), berechnet, die dadurch erhaltene Kurve ip =f{q)a) in Fig. 2 aufgetragen, und die aus den Beobachtungen, „('.", „Ver- suche über Ausflussmengen", hergeleiteten Punkte hinzugefügt, so weit diese aufgenommen werden konnten. Hier stimmt die Rechnung besser mit den Versuchen überein, als bei den Pressungen,

Der Druck in der Mündungsebene beim Ausströmen elasl. Flüssigkeiten. 41

weil sich, namentlich bei grossem Überdrucke, die Ausfliissmenge mit rpa verhältnismässig viel langsamer ändert, als der Druck in der Mündimgsebene. Während ich früher bei Aufstellung meiner empirischen Formel für <jp,„ angenommen hatte, dass sicli dieser Wert und ebenso der Wert von ?/' mit cp^ stetig änderten, würde aus der jetzigen Entwickelung wieder eine Unstetigkeit folgen. Und diese entspricht auch jedenfalls besser dem plötzlichen Auf- treten der relativen Schallwellen bei genügend grossem Überdrucke.

qpa

fpm

<Pc

^

0,0

(0,5452)

(0,4879)

(0,06386)

0,1

0,.o412

0,5050

0,06389

U.2

0,5498

0,5045

0,06382

0,3

0,5583

0,.5072

0,06371

0,4

0,5663

0,5092

0,06357

0,5

0,5743

0,5108

0,06340

(),(]

0,6^240

0,06148

0,7

0,7148

0,0.5428

0,8

0,8095

0,0 i 162

0,9

0,9048

0,02350

1,0

1

0

In der vorstehenden Tabelle habe ich noch die berechneten Werte von qp^ und ip zusammengestellt und für grösseren Über- druck auch die Werte von cp^ hinzugefügt.

Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass es für die Zustands- änderung im freien Strahl aussen ein Gesetz giebt, das, wenigstens je auf der Hälfte des ganzen Gebietes, mit unveränderten Kon- stanten gilt. Das Aufsuchen eines solchen, doch rein empirischen Gesetzes würde aber ungemein umfangreiche Proberechnungen er- fordern, und dabei würde voraussichtlich eine noch bedeutend unbequemere Formel für den Druck in der Mündungsebene heraus- kommen. Führt doch schon die Annahme eines Wärmeaustausches mit der Umgebung, der natürlich innen und aussen verschieden vorausgesetzt werden müsste, auf bedeutend verwickeitere Aus- drücke. Ich habe daher weitere Versuche in dieser Richtung für zwecklos gehalten. Die vorstehende Untersuchung sollte nament-

42 A. Fliegner.

lieh nur zeigen, dass in der That ein bestimmter Zusammenhang zwischen den drei Pressungen j;,-, jhu und pa besteht, und wie man im wesentlichen bei seiner genaueren Berechnung vorgehen müsste. Bei den Anwendungen wird man sich dagegen mit einer einfacheren, empirischen Formel begnügen, wenn man es nicht vorzieht, der noch einfacheren Annäherung von de Saint-Venant und Wantzel zu folgen, wonach für grösseren Überdruck q),^ = cp^ oder auch = a, für kleineren g)„, = (p^ angenommen werden darf.

Zürich, Oktober 1901.

Histologisch-färbeteclmische Erfahrungen im allgemeinen,

und speziell über die Möglichkeit einer morphologischen

Darstellung der Zeil-Narkose (vitale Färbung).

Von Heinrich Zangger.

Wenn uiiserm Auge in irgend einem unserer Arbeitsgebiete etwas auffällt, fühlen wir in uns das Bedürfnis, es zu deuten : Mit dem Auge entdecken wir die meisten Differenzen in der Aussen- welt, und das Auge ist es immer, das uns vieles wieder identifi- zieren hilft. (Wenn das mit einem andern Sinn geschieht, so fällt das der Seltenheit wegen geradezu auf.)

Auch in unserer Wissenschaft gab das Gesehene vor allem immer den Anstoss, die betr. Erscheinung zu fassen und in anderer Richtung zu deuten, Parallelen aufzufinden, kurz, sie zu definieren.

Es war also naheliegend, die Möglichkeiten zu sehen und damit die Erscheinungen zu zergliedern, zu vermehren, und wo sich ein Mittel bot, ist es für diese Zwecke angewandt worden.

Seit der Erfindung des zusammengesetzten Mikroskopes (Hans & Zach. Jansen, 1608) und dessen Verbesserungen (Beob- achtungen bei durchfallendem Licht nach Tortona 1685 mit dem Beleuchtungsspiegel: Hertel 1715, mit achromatischen Linsen: ehester Moor Hall 1732, theoretisch erklärt durch Euler 1771 und Einführung der Immersion -Systeme durch Amici 1827) ist das mikroskopische Bild, die äusserliche morphologische Identifizierung^

Aeussere Umstände verlangten eine sehr schnelle Drucklegung dieser Arbeit. So habe ich die wichtigen Beziehungen, die das hier gesammelte That- sachenmaterial zusammen mit noch vorliegendem über Farben, zu den Unter- suchungen üi)er Lösungen (van t'Hoff, Werner, Nernst) und speziell über die Suspensionen und Colloide (Hardy, van Bemelen, Posternak) hat. nicht mehr be- rücksichtigen können.

44 Heinrich Zangger.

Hauptthenia der Naturwissenschaften geworden. Der architekto- nische Aufbau aus den mikroskopischen Bildern wurde lange nur in der Vorstellung vorgenommen ; erst durch die Injektion der Gefässe wurde eine Methode gegeben, die einen klaren Einblick in den gröbern nnd feinern Anfbau der Gewebe erlaubte, besonders durch die Verfeinerungen der Methode durch Gerlach; denn erst später wurde die Rekonstruktion durch das Modellierverfahren allgemein «ingeführt.

Die seit langem bekannten Hülfsmittel zur Verdeutlichung des histologischen Bildes sind die Säuren (Essigsäure), die Laugen, und auch früh wurde das Glycerin eingeführt. Alle diese Medien bedingen klarere Bilder, indem sie die Brechung verändern und weniger durch die Lösung einzelner opaker Zellbestandteile. Die optische Seite der Beobachtungstechnik wurde ausser der Ver- feinerung der Linsen vervollkommnet durch Veränderung der Licht- konzentration (Blenden & Abbe-Apparat) und durch Modifikation der Lichtarten, durch Nicol-Systeme und Verwendung von mono- chromatischem und spektralem Licht, und ausserdem durch das sicherere Sehen mit der photographischen Platte.

Alle die erwähnten neuen Methoden und Verbesserungen haben ihren grössten Wert für die Beobachtung vollständig un- veränderter speziell lebender Teile, und die zu beobachten ist ja das Hauptproblem.

Nun hat man aber (seit 1865, Gerlach) chemische Differenzen der einzelnen Bestandteile der toten Zelle zur Verdeutlichung der Struktur zu Hilfe genommen, indem man gefärbte und färbende Substanzen einwirken Hess und nachher erst beobachtete. Mit diesen Methoden sah man, wie eigentlich früher schon, in der Zelle Protoplasma und Kern, nur etwas deutlicher als ohne die Färbung, aber die Färbung deutete darauf hin, dass diese beiden auch verschiedene Elemente seien in chemischer Hinsicht, ohne dass man jedoch besonderes Gewicht darauf legte. Was uns die Fär- bungen erst aufdeckten, sind besonders die Karyokinese (Flemming), und zum Teil die Bakterien.

Zellunterschiede typischer Art zeigte die Färbung nicht; was wir der Färbung verdanken, sind die Vorstellungen der Zell- struktur, die wir heute haben, und einige noch sehr dürftige An- haltspunkte für chemische Unterschiede. Um die Stellung und

I

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zell-Xarkose. i'y

den Wert der Färbemetboden zu cbarakterisieren , muss man überseben, was in den einzehien Punkten gescbiebt, daraus werden sieb die verscbiedenen Möglicbkeiten ZAveckmässiger Verwendung: ergeben, sowie die Grenzen ibrer Leistungsfäbigkeit.

Wir untersucbten abgetötete, gebeizte und gefärbte Zellen:

1. Die abgetötete Zelle, d. b. etwas anderes als was lebt (die Unterscbiede zwiscben der lebenden und abgetöteten Zelle und die dadurch sieb zeigenden Gesichtspunkte am Schlüsse der Arbeit).

2. Wir färben die tote Zelle

a) direkt mit dem Farbstoff (substantiv), h) oder mit Vermittlung von Beizen (adjektiv). Bei beiden Metboden verwenden wir als Farben solche Stoffe, die neben dem gefärbten Kern (Chromogen) andere, agressive Gruppen haben (Auxocbrome), die das Chromogen auf den Zellen und Fasern binden. Der färbende Kern kann deshalb je nach dem Charakter der Seitengruppen ganz verschiedene Funktionen be- kommen für die histologische Färbetechnik.

Mit und ohne Beize bedingt bei den bis heute in der histolo- gischen Färbetechnik angewandten Farbstoffe meist die Basicität, resp. Acidität des sich färbenden Teiles die Grundlage der Bindung, zum Teil allerdings auch die physikalische Dichtigkeit etc. Das Zustandekommen dieser Bindung und zum Teil auch deren Echt- heit ist abhängig von den relativen Löslichkeiten der färbenden Stoffe, deren Diffusions- und Filtrationsvermögen, und der Wechsel- wirkungen der physikalisch-chemischen Eigenschaften der Farb- stoffe und des zu färbenden Gewebes.

Inwiefern diese Vorgänge von in unsern Händen liegenden Umständen abhängen, möchte ich in dieser Arbeit zeigen. Ich gebe also nicht viel morphologische üntersuchungsergebnisse und theo- retische Erörterungen noch Vergleiche mit der Färbetechnik im allgemeinen (das alles soll in einer späteren Arbeit folgen), son- dern ich suche die komplizierten Vorgänge in ihre Komponenten zu zerlegen und weise darauf hin, worin diese bedingt sind und wie sie modifiziert werden können, und wie neue Modifikationen aufgebaut werden können. Es liegt in der Natur der Sache, dass ich längst bekannte Momente gebe neben solchen, die bis heute nicht beachtet wurden, oder die doch nicht prinzipiell beachtet

4(> Heinrich Zaiigger.

wurden, alles was ich gebe, hat sich mir bei den Versuchen in der verschiedensten Weise aufgedrängt. Als Beispiele nehme ich gewöhnlich die Belege aus bekannten Methoden neben solchen, die mir nach meinen Versuchen besonders sicher praktische Resultate versprachen. .Der praktische (Gesichtspunkt, d. h. die Darstellung morphologischer Differenzen trat in den Vordergrund gegenüber den rein chemischen Zielen, die mich anfangs leiteten.

Seit Frühjahr 1896 beschäftigte ich mich fast ununterbrochen mit dem Problem der Verdeutlichung der Struktur der lebenden und toten Zelle. Die Hauptzeit wurde verwandt auf die diffe- rentielle Darstellung durch Färbung verschiedener Teile der ab- getöteten, resp. fixierten Zelle. In verschiedenen Zeiten ging ich nach verschiedenen Plänen vor, je nach der früheren Erfahrung und nach dem Zweck.

Die Substantive Färbung.

Im allgemeinen fragt man in der Histologie wie in der Technik wenig nach dem chemischen Vorgang, sondern man fragt nur, ob die Methode klar elektiv und echt färbt. Mit diesem Masstab gemessen konnten Substantive, differentielle Färbungen im Vergleich zu den angewandten nur schlechtere Resultate geben, denn die Substantive Färbung beruht auf der vorhandenen schwachen chemischen Differenz der Farbe und der verschiedenen Teile des Zelleibes, während fast bei allen gebräuchlichen Methoden Ver- stärkung dieser Differenzen in Anwendung kommt, z. B. bei allen Hämatoxylinen durch sog. Beizen. Die Folgen sind:

1. Die Substantiven Färbungen sind fast alle wenig echt in- folge der relativ schwachen chemischen Bindung.

2. Sind die Reaktionen mit Substantiven Färbungen nicht so leicht zu erhalten wie mit Beizen ; sie sind, bis man die Methode sicher beherrscht, in jeder Beziehung bei der abgetöteten Zelle auffällig unzuverlässig und inkonstant bei differentiellem Färben.

Die Gründe liegen in der Kompliziertheit der vorhergehenden Vorgänge wie der Färbung:

1. In der Abtötung und Fixierung. Um die chemische Konsti- tution des Plasmas nicht zu verändern, dürfen wir nur mit wasser- entziehenden und eiweissausfällenden Mitteln fixieren, die keine aktiven Gruppen haben, z. B. Alkohol; neben Alkohol genügt die

Die Möglichkeit einer mori)liüIogischen Darstellung der Zell-Xarkose. 47

Fixierung durch Hitze diesen Forderungen, aber nicht die Wirkung von Säuren und Salzen. Nun ist aber allgemein bekannt, dass je nach der Schnelligkeit des Wasserentzuges und damit der Koa- gulation der Eiweisstoffe das Endresultat ein sehr verschiedenes ist, weil dadurch die Dichtigkeit des zu färbenden Substrates ver- ändert wird, und zwar gehen Ausfällung und Wasserentziehung nicht parallel, da die Ausfällung sehr früh eintritt. Ist das Ei- weiss sehr fein ausgefallen und entziehen wir nachher sehr stark und lange das Wasser, so wird alles so dicht und zwar alle Zellteile fast gleichmässig dicht, dass die Farbstoffe schwer darin überall hin diffundieren, vor allem aber schwer wieder zu entfernen sind aus den Teilen, wo sie nicht chemisch gebunden sind. Dif- ferenziert man mit einem Mittel, zu dem der Farbstoff hohe Löslichkeitstension hat, so reisst das auch den leicht chemisch gebundenen Farbstoff wieder heraus: wir können also nicht diffe- renzieren. Diese rein physikalischen Verhältnisse werden im all- gemeinen viel zu wenig betont, resp, man glaubt nicht daran, von der Vorstellung beherrscht, dass ehem. Bindungen im allgemeinen gegen physikalische Einwirkungen resistent seien; nur gerade liei den Eiweisskörpern kann man leicht auf andere Möglichkeiten aufmerksam werden ; z. B. erhitzt man ein Blutpräparat auf 120 130'^, so bekommen wir mit Triazidlösung die verschiedenen eosino-, neutro- und basophilen-Körner. Erhitzt man höher, auf 150—200", so hat man plötzlich viel mehr Körner mit rotem Ton; chemische Veränderungen des Eiweisses sind ja denkbar, aber sehr unwahrscheinlich, weil die Veränderung nicht mit einem bestimmten Wärmegrad stärker zunimmt, sondern das geht alles successive, eben wie die Entfernung von Wasser, allerdings event. durch Abspaltung aus dem Molekül. Ein anderes ähnliches Bei- spiel ist das Methylgrün ; es gilt als ein spezifischer Nukloinfarb- stoff, d. h. mit chemischer Affinität, und doch reisst Alkohol alles heraus. Aehnliche Erfahrungen macht man sehr oft und machen alle Histologen, aber statt sie zu registrieren und zu erklären, nannte man die Farben unecht und vergass den Misserfolg. Dass die physikalischen Einwirkungen auch die morphologischen Resul- tate verändern können, zeigt sich auch bei der Darstellung der Nissl-Körper. Nimmt man zuerst ganz dünnen Alkohol, so be- kommt man anders geformte, kleinere Schollen, als wenn man direkt 96 > Alkohol nimmt.

4S Heinrich Zangger.

2. Sind die unter einem bestimmten Namen im Handel zu findenden Farbstoffe oft nicht identisch, manchmal verunreinigt und sehr oft absichtlich mit andern Substanzen gemischt, besonders mit Anilin- oder Metallsalzen, Dextrin und Stärke. Nun machte man aber gerade die Erfahrung, dass diese unreinen Farbstoffe konstantere und echtere Resultate gaben als die reinen Farbstoffe. So wurden die meisten chemisch reinen Farbstoffe in der histolo- gischen Technik nach und nach verdrängt, ohne dass man sich dieses Faktum merkte, und zum Teil auch, ohne dass es zur all- gemeinen Kenntnis kam und ohne dass man auch danach gefragt hätte. Die Hauptsache war eben nicht der Vorgang, sondern ein zweckentsprechendes Resultat, d. h. eine dauerhafte, klare Fär- bung mit einfachster Methode.

Auf diese Art wurde für die Klärung des chemischen Prozesses immer weniger Aussicht ; es wurde auch kein Material gesammelt^ mir selbst wurde noch von wohlmeinender Seite abgeraten : man erreiche auf diesem Gebiete nichts, es sei zu kompliziert, habe keine Zukunft, weil die Resultate mit reinen Farben nicht so gut wie bei den Beizfärbungen und die Methoden unsicherer seien. Das war ein Grund warum ich mich speziell mit den Beizfarbstoffen beschäftigte.

Die Resultate meiner Substantiven Färbung lassen sich zu- sammenfassen :

1. Die Härtung ist nur mit Alkohol und Hitze möglich. Man muss auf die verschiedensten Arten härten; die einzelnen Organe sind nicht gleich empfindlich. Formol- und Salzlösungen sind den indifferenten Härtungsmitteln am nächsten, aber doch nicht voll- ständig (chemisch) indifferent.

2. Absolut gute Resultate mit einfachen Methoden geben Farbengemische von einem sauren und einem basischen Farbstoff, z. B. Methylenblau und Eosin (Laurent und Rosin). Man bringt die beiden Farben im allgemeinen in dem Verhältnis ihrer Mole- kulargewichte oder ihrer Vielfachen zusammen, je nachdem bei der betr. Kombination eine ein- resp. zweibasige oder ein- oder zweisäurige Verbindung entstehen soll (Methylenblau-Eosin durch Grübler zu bekommen). Die chemische Verbindung der Farbstoffe lässt man am besten in erwärmter Lösung vor sich gehen^ und wo diese Temperatur nicht genügt, kann man die Farben zusammen- schmelzen.

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zeil-Narkose. 49

Nach diesen Grundsätzen kann man ausser diesen Verbindungen blosse Gemische darstellen von einem sauren und einem basischen Farbstoff, aber auch Kombinationen mit sauren und sauren, und basischen und basischen Farbstoffen geben different gefärbte Bilder. Es ist nun sehr auffällig, dass durch Gemische von Farben gleichen chemischen Charakters, wenn sie nur verschieden gefärbt und verschiedene chemische Konstitution haben und in der Stärke des chemischen Charakters sich nicht zu nahe stehen, differente Färbungen von Kern und Protoplasma zu bekommen sind, d. h. also bei dem wenig ausgesprochenen Charakter der Eiweissk()rper kann das saure Kerngerüst ganz wohl auch als Base wirken, wie auch das im allgemeinen saure Farbstoffe aufnehmende Plasma basophil erscheinen kann ; aber das sind relative Begriffe. Im allgemeinen nehmen bei diesen Gemischen die Kerne den dunkeln, das Plasma den hellen Farbstoff auf; nur bei Farbgemischen, wo der hellere Farbstoff basisch und der dunkle sauer, färben sich die Kerne mit dem heilem Farbstoff, z. B. Anilingelb im Ueber- schuss mit wenig dunkelm Sulfofarbstoff (Pappenheim). Bei Fär- bungen mit Gemischen von Farbstoffen gleichen chemischen Cha- rakters sind ausser der Verschiedenheit der Farbe und der chemi- schen Konstitution noch folgende Momente zu beachten«: Konzen- tration und Lösungsmittel, d. h. die relative Konzentration der ein- zelnen Farben, ferner die Zeit und die Temperatur der Einwirkung, eventuell bei successivem Färben noch die Reihenfolge. Diese Variabein müssen für jeden Härtungsgrad und jedes Organ durch kurze Interpolationsversuche festgestellt werden. Die Methode ist am einfachsten folgende: Man wählt sich erstens Farben, die ziemlich schnell ziehen, zweitens stellt man das Gemisch dar aus zwei Stammlösungen, indem man in die erfahrungsgemäss weniger stark färbende Farbe die- andere successive zugiesst und versuchs- weise färbt, bei diesen Versuchen ergiebt sich zugleich auch die beste Dauer der Einwirkung. Die Temperatur ist bei kurzer Ein- wirkungszeit, wenn der Unterschied nicht über lö^'ist, fast ohne Ein- fluss. Diese Art der Farbgemischdarstellung ist nach der van Gieson- schen Methode zum Teil bekannt, nur muss man im allgemeinen noch berücksichtigen, dass, wenn man die Stammlösung in ver- schiedenen Lösungsmitteln hat, eventuell eine sehr starke Verände- rung der relativen Konzentration eines Farbstoffes eintreten kann.

Vierteljahissclarift d. Natuif. Ges. Zürich. Jahrg. XLVII. 1902. 4

50 Heinrich Zangger.

Je geringer die Unterschiede in den Farben, desto schwieriger und subtiler ist die Behandhing. Bei den sulfosauren Farbstoffen ist eine Färbung von Kern und Plasma mit differenten Farben im allgemeinen nicht möglich (nur noch etwa mit Isodiphenyl- Schwarz R. [Geigy Basel] und Säurerubin oder Setopalin). Hin- gegen sind bei andern Kernfärbungen diese Gemische sehr gut zu verwenden, für Differentfärbung von Plasma und Fibrillen. Bei Sulfofarben scheint die Elektion abhängig von der Farbe und der Molekulargrösse. Der hellere Farbstoff bleibt in dem Protoplasma, der dunklere (meist grossmolekulare) im Kern. So geht ferner beim schnellen 10 15 Minuten langen Färben in einer Mischung von Wasserblau oder Wasserviolett und Säurerubin das Säure- rubin in die dichtere membrana propria, während alles Andere blau gefärbt ist. Bei epithelialen Teilen geht das Blau etwas mehr auf die Epithelien, das Rubin auf das faserige Bindegewebe. Giebt man diesem Gemische noch Pikrinsäure hinzu, so kann man bei Hämatoxylin-Vorfärbung zugleich differenzieren, analog van Gieson. Aber alle diese Färbungen sind, wie auch van Gieson, unecht, wenig haltbar, auch bei Einschluss in indifferente Mittel, wie ('edernöl '). Bei successivem Färben ist im allgemeinen besser, die dunkle Farbe zuerst einwirken zu lassen. Neben den Bezie- hungen des freien Farbstoffes zu den verschiedenen Zellteilen, die durch ihren chemischen Charakter, ihre Nuance, resp. die sie be- gründende Konstitution bedingt sind, ist zu beachten, dass wir es fast ausnahmslos mit Farbsalzen zu thun haben, die gespalten werden müssen, sei es durch die Gruppen der Zellbestandteile, sei es durch besondere Zusätze (in der Färbetechnik findet sich diese Notwendigkeit jeweils angegeben: im sauren Bade, im Seifen- bade etc.). Wir haben es oft also in den Händen, den Farbstoff auch in der Lösung noch zu beeinflussen:

1. Indem wir durch Zusatz von Säuren oder Alkalien das freie färbende Prinzip aus den Salzen freimachen; in den meisten Fällen ist diese Farbe viel schwerer löslich im Lösungsmittel und erreicht also bald die Sättigungs- Konzentration, d. h. eine grössere

^) Diese Methoden können auch auf mit Formalin fixierte Schnitte an- gewandt Averden. Die Farbenkonzenlrationen dürfen hier etwas höher sein als bei Alkoholftxierung. Man kann so die Reaktionszeit abkürzen.

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellnng der Zeil-Narkose. 51

physikalisch-chemische Löslichkeitstension gegen alle andern sie physikalisch aufnehmenden Elemente, z. B. also das fixierte Plasma, die Faser (vergl. die Methode von Willebrand). Es giebt aber auch Farbstoffe, die als Salze direkt aufgenommen werden; be- sonders wichtig sind für die histologische Färbetechnik die Farb- stoffe, wo der saure und der basische Anteil der Verbindung- verschiedenartige Farbstoffe sind (sog. Neutral-Farbstoffe). Schon um nicht nutzlose Farbniederschläge zu erzeugen, setzt man nur kleine Quantitäten Säuren, resp. Alkalien, zu, besonders in der his- tologischen Technik, wo man so minimale Farbstoffmengen braucht. (Eine Aenderung der Reaktion genügt zur Aenderung der färbenden Eigenschaften.) Auf alle Fälle darf man nie mehr zusetzen als was das salzbildende Element in den Farbsalzen zu binden vermag, denn der Zusatz hat ja die chemische Eigenschaft des Farbstoffes, nur stärker ausgeprägt, darum entzieht er ihm den salzbildenden Teil ; ist er im Ueberschuss, so wird er dem Farbstoff zum Teil gleichartig wirken und keine vollständige Färbung zu stände kom- men lassen, weil er zu denselben Gruppen wie der Farbstoff Affi- nität hat (analog den freien Beizen, wie Fischer feststellte). Bei kleinem Zusatz kommt diese Wirkung nicht zur Geltung, da das stärkere Element ihn sättigt. Die meisten bis heute in der His- tologie eingeführten Farbstoffe sind so beschaffen, dass auch ohne freimachende Zusätze die chemische Eigenschaft des Gewebes allein genügt, den Farbstoff frei zu machen und zu binden.

2. Wir können die Sättigungskonzentration steigern durch Zusatz von neutralen Salzen, und damit die Löslichkeitstension gegen die Substrate erhöhen.

(Schwebefällung, Zusatz der Seife bei der Nissl-Methode hat auch besonders diese Funktion, denn weiterer Zusatz bedingt Ausfällung.)

3. Die Löslichkeit des freien Farbstoffes können wir natürlich auch beeinflussen durch Zusatz von Lösungsmitteln. Nehmen wir als bekanntes Beispiel das Nigrosin (spirituslöslich). Würden wir aus irgend einer wasserlöslichen Nigrosinverbindung das Nigrosin frei machen, so würde es direkt ausfallen und höchstens spur- weise färben; geben wir aber nur einige Tropfen Alkohol zu, so löst es sich, und die färbenden Eigenschaften können erst wirken, oder umgekehrt kann man durch Spuren Zusatz von Wasser zu

52 Heinrich Zangger.

einem Farbstoff, der z. B. in gesättigter Lösung von 50^0 Alkohol verwendet wird und nur spirituslöslich ist, die Schnelligkeit der Färbung beschleunigen. Ebenso wirkt das Nachspülen mit Wasser bei Bakterienfärbung mit alkohollöslichen Farben.

4. Wenig systematisch verwendet ist die Eigenschaft der Farbstoffe, ihre Löslichkeitstension bei verschiedenen Temperaturen sehr zu verändern. Die Mehrzahl der Farbstoffe sind im warmen Wasser viel mehr löslich als im kalten ; die Sättigungskonzentra- tion würde also durch Abkühlen erreicht; nun steigt aber in sehr vielen Fällen beim Erwärmen die Löslichkeit, resp. Diffusions- schnelligkeit (auch die Schnelligkeit der chemischen Bindung) in dem Gewebe und der Faser schneller als in der wässerigen Lösung. Wir haben also eine Differenz aus verschiedenen Momenten, die beste Schnelligkeit des Prozesses wird doch in den meisten Fällen beim leichten Erwärmen erreicht, natürlich besonders bei Farb- stoffen, die in der Wärme im Wasser sogar weniger löslich sind.

Der Färbeprozess wird also neben den geforderten Eigen- schaften des Gewebes und des Farbstoffes oft noch bedingt, in den meisten Fällen mindestens noch beschleunigt, durch ein, resp. mehrere der folgenden Momente:

L durch künstliches Freimachen des Farbstoffes aus seiner Salzverbindung ;

IL durch Näherrücken der Grenzen der Sättigung durch :

a) Zusatz anderer Lösungsmittel, die entweder den freien Farbstoff erst lösen oder seine Lösung der Ausfällungsgrenze nahe bringen ;

h) Zusatz von Salzen;

c) Variation der Temperatur (relative Steigerung der Sät- tigung).

Die auffällige Erfahrung, die jeder macht, der mit Farben- gemischen nach spezifischen Affinitäten der Zellteile sucht, dass nämlich bei einem Farbengemisch von konzentrierter saurer Farbe mit ganz wenig dünner basischer Farbe (oder umgekehrt) die wenig konzentrierte gar nicht die ihr chemisch entsprechenden Teile anfärbt, lässt sich durch diese Momente erklären. Eine Funktion des Zusammenwirkens dieser Momente ist auch, dass beim simultanen Färben mit verschiedenen Farben gleicher Sätti- gungskonzentration auf dickere Gewebstücke, die hellen Farben

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zeil-Narkose. 53

tiefer hinein anfärben als die dunkeln. Am oberflächlichsten färben die dunkel nuancierten, gross molekularen sulfosauren Farbstoffe. Ebenso erklärt sich die Möglichkeit, dass man Kon- zenti-ationen von zwei verschieden gefärbten Farbstoffen zwei saurer oder zwei basischer Art finden kann, die Färbungs- resultate geben ähnlich Gemischen von sauren und basischen Farb- stoffen (wenn auch nicht so scharf und meist in Mischtönen), weil diese zwar chemisch differenten Zellbestandteile durch differente Dichtigkeit und Durchlässigkeit sich verschieden färben können (vielleicht auch durch verschiedenes elektrochemisches Verhalten).

Parallel der Farbenintensität und der Molekulargrösse be- dingen die Stärke des Eindringens die fassenden Gruppen der Farbstoffe; speziell bei Formol-Gefrierschnitten bedingt bei gleicher Molekulargrösse die Hydroxylgruppe eine grössere Durchdringungs- fähigkeit als die Carboxylgruppe, und diese hindert das Durch- dringen weniger als die Sulfogruppe.

Rezepte für diese Methoden substantiver Färbung mit Ge- mischen (die nicht eine basische und eine saure Komponente haben) lassen sich nicht allgemein angeben, da sie nach Organ, Härtungsgrad vor allem modifiziert werden müssen; so. ist Triacid Elirlichs zu nichts anderem zu verwenden als zu Blut- und Knochen- markfärbung bei bestimmten Härtungsgraden und Härtungsarten.

Rezepte für eine bestimmte Art der Verwendung werde ich, wenn sie von Dritten mehrfach nachgeprüft sind, als Paradigmen publizieren.

Was haben wir für Resultate von der Substantiven Färbung in rein chemischer Hinsicht, d. h. in der Richtung, wo man suchte, wenn man auch die Litteratur berücksichtigt?

In rein chemischer Hinsicht sind die Resultate bis heute sehr spärlich. Wir wissen, dass das Chromatingerüst des Kernes saure Gruppen bat (man nimmt an, bedingt durch die enthaltene Phosphorsäure), und dass das Plasma vorwiegend basische Gruppen enthält, ferner, dass die sogenannten absolut oosinoi)hilen Kiuner nur basische Gruppen enthalten, die Körner der Mastzellen rein saure Gruppen. Dass Methylgrün von den sauren Substanzen nur die nucleinhaltigen und Bordeau-R. keine Lininfäden und Centro- somen färbt, kann ebenso gut in physikalischen Momenten be- dingt sein. Wichtiger als diese chemischen Tliatsachen ist, dass

54 Heinrich Zaiigger.

durch diese Versuche die Vorstellungen auf den Einfluss physika- lisch-chemischer Komponenten der Löslichkeit und der Diffusions- fähigkeit, den Einfluss der verschiedenen Quellungszustände ge- lenkt wurden. Denn dadurch kommt man auch nach und nach dazu, rein aus dem physikalischen Verhalten chemische Gruppen zu lokalisieren, z. B. Fette und fettähnliche Körper.

An einigen Beispielen möchte ich zeigen, dass ein Ueber- tragen der Anschauungen der technischen Färberei auf die Histo- logie fast nirgends a priori richtig ist, und dass die einzelnen wahrscheinlichen Parallelen erst durch lange Versuchsreihen in der Histologie gefunden wurden. Aber auch hier ist von den theoretischen Möglichkeiten über das Wesen des Färbeaktes nichts Abschliessendes bekannt. Wir haben in der Färberei wenig variable Verhältnisse, währenddem in der Histologie gerade die Varietät und die Möglichkeit, diese Varietäten färberisch darzu- stellen, vorläufig das Hauptproblem ist, und erst sekundär kommt da die Frage der bedingenden Ursachen. Manche Frage der Technik wird sogar wahrscheinlich in den histologischen Versuchen gelöst werden können; bis jetzt sind schon eine Reihe von That- sachen bekannt, die in der Textil-Färbetechnik kaum hätten ge- funden werden können : die absolute Acidophilie und Basophilie, die mit grösster Wahrscheinlichkeit zeigen, dass die chemische Komponente in einzelnen Fällen eine ausschlaggebende Rolle spielt. Auch ist jetzt aus der Wolle eine Gruppe isoliert worden, deren saure Eigenschaft die Grundlage der Substantiven Färbung sein dürfte.

Die Beizfärbung.

Da die Substantive Färbung inkonstanter, resp. schwieriger ist und unechtere Färbungen giebt, und ausser bei Granula keine chemischen Anhaltspunkte zeigt, sondern auch nur morphologische Zellbilder, so ist man gezwungen, da Resultate zu suchen, wo sie zu erwarten, d. h. in der morphologischen Darstellung von Zell- bestandteilen bei normalen und pathologischen Zellen. Sollen aber rein morphologische Resultate verwertbar sein, so muss ihre Dar- stellung absolut sicher, mit nicht zu subtilen Methoden erreicht werden, und dieses Resultat soll möglichst dauerhaft sein. Kon- stante Resultate in Bezug auf Färbung und Difterenzierung

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zell-Xarkose. 55

höchst einfach und echt geben eine ganze Reihe der alten Methoden. Wenn wir sie analysieren, sind es aber fast ausnahmslos Beiz- methoden, z. B. die Hämatoxyline.

Wenn wir für die Substantive Färbung nicht sehr viel von den Errungenschaften der Färbetechnik übertragen konnten, so sind wir bei der Beizfarbentechnik anfangs durchaus darauf an- gewiesen, nach den technischen Erfahrungen Versuche zu machen. Aber wieder ist der Hauptsache, dem Differenzieren, nirgends vorgearbeitet. Färbungen mit Brechweinstein und Hämatoxylin oder Zinkchlorid und Alizarin etc. färben die ganze Zelle stark und echt; aber wir haben keine Heraushebungen spezieller Teile, weil die kleine Differenz der Gewebsteile gegen die stark aus- geprägten Eigenschaften der Beize nicht in Betracht kommt.

Die bekanntesten Beizfärbungen der Histologie, die in der Technik zum Teil ihre Analoga haben, sind : die Hämatoxyline, die Weigert'sche Färbung auf Markscheiden, Glia, Bakterien, Elastin, die Löfflersche Geisseifärbung mit Eisenbeize, die Nicol- sclie Bakterienfärbung mit Tannin ; alle andern sind mehr oder weniger modifizierte mit spezitischen Affinitäten. Eine eigene Art der Beizung ist in der Histologie die Imprägnationsmethode mit dem Typus der Golgi'scl>en Silbermethode. Die Beizfärbungs- prozesse in der histologischen Technik sind also im allgemeinen die der Färbetechnik, von der sie entlehnt sind, und sind nur nach dem Zweck empirisch modifiziert. Hier stehen die Erklärungen auf demselben Boden wie in der allgemeinen Technik. Aufschluss über rein chemische Differenzen ist hier nicht zu erwarten, hin- gegen sind Differenzierungen weitergehend möglich als bei den Substantiven Färbungen^ weil die Fixierung stärker ist. Feiner können wir:

1. die Beizung mit der Härtung kombinieren, wo das Beiz- mittel sich mit dem ungefällten Eiweiss verbindet und erst so ausfällt, also prinzipiell anders sich bindet als die Farben bei den bekannten Substantiven Färbungen ;

2. den chemischen Charakter eines Farbstoffes viel stärker ausprägen in irgend einer Richtung, wenn wir die Farbe und die Beize zugleich einwirken lassen, d. h. das mit der Beize ge- bundene Farbmolekül (die direkt färl)enden Hämatoxyline).

3. nach der Färbung und Differenzierung den Farbstoff

56 Heimich Zangger.

fixieren, d. h. die unechte Färbung in eine echte verwandeln durcli die Beize (z. B, nach der Färbung der Spermatozoenköpfe mit Methylgrün und Differenzierung in Alkohol, bis nur noch die Köpfe gefärbt, kann man als leichte Fixierungs- Beize Borax- Lösung und Pikrinsaures Ammon anwenden). Die Jodeinwirkung bei der Weigert'schen, resp. Gram'schen Färbung der Bakterien vor dem Differenzieren scheint mir am ehesten als eine Gerbung der Bakterien-Oberflächen oder -Hüllen zu sein, indem diese so für die Lösungs-, resp. Extraktionsmittel wie Alkohol und Anilin physikalisch unzugänglich gemacht werden. Sonst ist die Färbung wie die Entfärbung der Bakterien nach der Gram'schen Methode schwer zu erklären (andere Erklärung vgl. Pappenheim).

Eine Einteilung der Beizen nach rein chemischem System geht zwar nicht durchaus parallel den färberischen Potenzen; aber eine bessere scheint mir heute noch unmöglich (auch diejenige von Fischer weicht wenig von der chemischen Einteilung ab).

I. Die metallfreien Beizen.

Sie sind keine eigentlichen Beizen, weil sie den chemischen Charakter des Substrates wenig beeinflussen, wenn auch nicht so intakt * lassen wie Alkohol und Hitze ; dagegen verändern viele die Struktur weniger als Alkohol und Hitze.

Die Eigenschaft, die alle guten Fixationsbeizen haben müssen, ist gute Diffusionsfähigkeit in die noch lebende Zelle (vergi. Schluss), oder sie müssen mit einem zeiltötenden Mittel kombi- niert werden.

Diese Gruppe besteht:

1. aus Aldehyden und organischen Säuren, Formaldehyd und Essigsäure als Hauptrepräsentanten ;

2. anorganische Säuren (Mineralsäuren);

3. Metallsäuren und alle Salze, die aber nur kombiniert mit zelltötenden Substanzen verwendet werden können ;

4. die Oxybenzole und deren Nitrokörper (besonders Phenol, Pyrogallol und Pikrinsäure).

Alle diejenigen Körper, die in wässerigen Lösungen ohne Zusatz in die lebende Zelle sehr schnell eindringen, sie abtöten und fixieren, sind mit wenig Ausnahmen schlechte Beizen, d. h. fast alle Beizen dringen erst in die abgetötete Zelle ein ; Zwischen-

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zell-Xarkose. 57

stufen nehmen ein : die Pikrinsäure, das Jod, das Sublimat und die Osmiumsäure. Bei der Pikrinsäure ist neben dem Eindringen die Fähigkeit zu beizen eine Ausnahme, bei dem Metalloid Jod und dem Schwermetallsalz Sublimat ist die Fähigkeit, in die lebende Zelle einzudringen, eine Ausnahme, indem alle Körper ihrer Klassen diese Eigenschaft nicht haben.

IL Die metallhaltigen Beizen.

a) Die Metalloxyde und ihre Verbindungen.

b) Die Metallchloride (Altmann, Hermann, Galleotti und Pianese).

c) Die Metallsäuren und ihre Salze.

Gemeinsam ist allen, dass sie nicht in die lebende Zelle ein- dringen, dass sie aber, einmal eingedrungen, feste Verbindungen geben mit bestimmten Zellbestandteilen, und fast alle haben anderseits auf bestimmte Farben Beizwirkung. Im allgemeinen wird gar nicht betont, dass die Alkalescenz, resp. die saure Reaktion des Beizgemisches, von sehr grosser Bedeutung ist, ebenso, dass bei verschiedenen Kombinationen verschiedener Beizen eine Veränderung der Beizwirkung der einzelnen eintritt, so dass das Resultat eine Gleichgewichtswirkung der verschiedenen Beizen ist. Gerade diese Erfahrungen, dass man mit verschiedenen Beizen von gleichem oder auch verschiedenem Löslichkeitscharakter ver- schiedene Bilder bekommt, veranlassten mich, systematisch mit Kombinationen von Beizen Versuche zu machen, um so die Zell- teile vor der endgültigen Fixierung zu beizen, d. h. die Grund- lage der Färbung zu machen, und um eventuell durch Reduktions- prozesse die Metalle fraktioniert auszuscheiden und so direkte Bilder der Metallsalz-Affinitäten zu bekommen.

Ein Unterschied zwischen der Färbetechnik und der histolo- gischen Technik ist in der Wahl der Beizen und deren Verwen- dung zum Teil ein prinzipieller. Die Technik brauclit im all- gemeinen nur Beizen von sehr ausgesprochenem Charakter, wo die kleinen Differenzen der verschiedenen Teile des zu färbenden Substrates für die chemische Reaktion gar keinen Unterschied machen, d. h. alles wird gieichmässig gefärbt, eine Differenzierung ist also so kaum zu erreichen. Wir können die technischen Beizen als nacliträgliche Beizen sehr gut verwenden, wo wir nach dem

Ö8 Heinrich Zangger.

Differenzieren die noch gefärbten Teile sehr fest fixieren oder anders nuancieren wollen, oder da, wo nur die schwer färbbaren Elemente vorhanden sind (Geissein der Bacillen). Die ganze Reihe der zufällig gefundenen Beizen sind in der histologischen Technik im allgemeinen viel weniger reaktionsfähige Substanzen, so finden Tannin, Brechweinstein nur sekundäre Verwendung. Verwendet werden heute vor allem die Alaune, die chromsauren Salze, und neuerdings auch die Chloride von Platin, Palladium, Gold und Cobalt, Die Elektionsstellen werden wahrscheinlich wie bei den Farben zum Teil bedingt von sauren oder basischen Eigenschaften, resp. elektro- positiv und elektronegativ ; aber dabei .spielen eine ganze Reihe weiterer Momente physikalischer Natur eine grosse Rolle.

Will man nun beizen, so muss man die Beizlösung in saurer Reaktion einwirken lassen. Nimmt man Essigsäure, so dient sie zugleich als Vehikel für die Verbindungen, die in die lebende Zelle nicht eindringen. Ich machte allgemein die Erfahrung, dass die Beizstoffe auch am tiefsten in abgetötete Massen eindrangen, wenn Essigsäure verwendet wurde, mehr als bei Ameisensäure oder Weinsäure oder Zitronensäure. Oxalsäure giebt leicht Reduk- tionen und bei Cobalt- Chlorid entstehen direkt Cobaltoxalat- Niederschläge.

In alkalischer Reaktion dringen die Beizen fast gar nicht ein; bei den Metalloxyden reduzieren dann die Oberflächen, und die oberste Schicht wird mit reduziertem Metall imprägniert in einer so' dichten Schicht, dass die Beize nicht tiefer geht, und dass ferner bei Schnitten über 3 4 fx. gar nichts zu sehen ist. Man thut am besten, die Säurung weiter zu führen, da durch die Al- kalien des animalen Gewebes ein Teil der Säure gesättigt wird. Nach 50 bis 100 Stunden ist die Reaktion bei kleinen Stücken im Gleichgewicht. Will man nun eine Metall-Imprägnation, so wässert man im liegenden Wasser 1 2 Stunden aus und bringt die Teile in eine dünne Ammoniak-Lösung, oder zu einer stärkeren Reduktion in eine alkoholische Pyrogallussäure-Lösung, oder nach Odern- heimer reduziert man mit Wasserstoff, dem etwas AsHg oder PH^ zugegeben ist. Bei Osmiumsäure geht dieser Vorgang auch in saurer Lösung vor sich nach längerer Zeit, und besonders am Licht. Die Chloride werden im allgemeinen nicht so leicht ver- ändert, wenn kein Licht einwirkt, am wenigsten das Platin-Chlorür, am stärksten noch Sublimat und Goldchlorid.

Die Möglichkeit einer morphologisclieii Diirstellung der Zell-Xarkose. ~y9

Was für Ueberlegungen das Platinchlorid in die histologische Technik brachte, weiss ich nicht; auffällig ist hier, dass nach der Beizung basische Farbstoffe mit NHo Gruppen auf die Kerne gehen und relativ sehr gut haften (Saff'ranin). Mindestens zieht Alkoliol bei guter Beizung auch nach vielen Stunden das Saffraniu nicht aus dem Kern,

Es ist möglich, dass es sich da um eine Verbindung handelt, die analog ist den Platinammoniaken, denn das Platin-Chlorid ist un- reduziert mit den Geweben verankert und kann nachher noch zu Metall reduziert werden, doch hat Cobald-Chlorid keine so starke Beizwirkungen wie aus Analogie mit dem Platin erwartet werden dürfte.

Nach diesen allgemeinen Erfahrungen ist es also angezeigt^ als Grundstock für die histologischen Beizflüssigkeiten zu mischen:

I. Ein zelltötendes Mittel, das in sehr geringer Konzentra- tion genügt und nicht zu stark chemisch wirkt, die Beizen nicht angreift. (Die Zelle muss schnell getötet werden, weil sonst dia hypertonischen Lösungen der lebenden Zelle Wasser entziehen, in die tote Zelle aber eindringen können. Ich habe Versuche ge- macht mit isotonischen tötenden Lösungen und nachher erst die Beize zugesetzt; aber einen wesentlichen Unterschied fand ich nicht gegenüber den Zellen, bei deren Fixierung ein gutes zoll- tötendes Element zu der Beizflüssigkeit gesetzt wurde).

IL Eine Säure (die nicht zu stark sein darf, weil sie sonst die Beize stört); organische Säuren wirken auch schnell zell- tötend, weil sie eindringen in die lebende Zelle (Essigsäure, Wein- säure, Zitronensäure).

III. Die Beizen, die zugleich eiweissfällend wirken, indem sie sich damit verbinden.

1. In die lebende Zelle eindringende: Pikrinsäure, PyrogalloL Jod, Sublimat. (Keine guten Beizen im allgemeinen.)

2. In die absterbende Zelle eindringende; Alle übrigen er- wähnten Salze, Metallsäuren, Metalloide und ihre Ver- bindungen.

Alle diese Verbindungen können natürlich auch auf schon fixierte Gewebe angewandt werden, aber da ist zu bedenken, dass das Plasma als dichte Schollen ausgefällt und weniger zugänglich wird, und dass eine Reihe labiler Gruppen sich wohl verändert

<)0 Heinrich Zangger.

haben. Macht man eine Reaktion auf sich wenig verändernde Substanzen^ und die durch die gemachten Prozeduren nicht aus- gezogen werden, so kann man auch erst die Schnitte beizen (Nervenscheidenfärbung Weigerts auf Formalin gefrierschnitte z. B.). Da alle diese Beizen schwer diffundieren und die Oberflächen der Stücke dichten, darf man nur sehr kleine Stücke verwenden.

Da man Differenzierungen will, wird man am besten ein Beizgemisch einwirken lassen. Mit der Wahl der Beize geht man am besten so vor, dass man sich die zur Verfügung stehenden Farbstoffe nach der Farbe z. B. in zwei Gruppen einteilt und dann •zwei nach ihrem chemischen Charakter möglichst verschiedene zu zwei Farben gehörige Beizen wählt, z. B. eine saure und eine basische oder Oxyd und Chlorid (Oxyde und Chloride von AI und Fe: Zn und Fe; ZnundCr; Sn + Mo + Zn; AI + Mo + Fe etc.); aber wohl zu berücksichtigen sind hier die Reaktionsfähigkeiten der einzelnen Beizen (Anhaltspunkte dafür haben wir für viele in der Technik), und da macht man dann die Mischung analog den Grundsätzen für die Gemische substantiver Färbung: man sucht das chemische Uebergewicht durch Massenwirkung etwas zu heben, indem man die starke Beize in viel dünnerer Lösung anwendet als die andere. Die Verhältnisse lassen sich nicht genau voraussagen; aber es garantiert bessere Resultate, wenn man sehr dünne An- fangslösung der starken Beize nimmt und eventuell nach einigen Stunden noch etwas zusetzt.

Beide Beizen haben gleiche Einwirkungszeit, und das End- resultat ist abhängig von der verschiedenen chemischen Affinität der Beizen, der prozentualen Sättigung der Lösung und der Lösungstension gegen das Gewebe, zusammen mit der Diffusions- fähigkeit im Gewebe.

Die Färbung kann dann mit den gewählten Farben als Ge- misch, oder besser successive gemacht werden. Die Grundsätze sind dieselben wie bei der Substantiven Färbung; auch hier muss jede Methode ausprobiert werden, für jedes Organ speziell (aber nicht so peinlich); dann bekommt man (bei Schnitten von 1,5-4 ^/.) bei starker Vergrösserung Bilder und Zellstrukturen, die man allerdings nicht immer deuten kann, die aber sicher ebenso be- rechtigte Kunstprodukte sind, wie sehr viel mit den konvention- nellen Methoden Gefundenes.

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zeil-Narkose. Ol'

Die Vorteile der Beizmetboden für die eben absterbende Zelle sind konstantere, besser differenzierte Resultate als bei der Sub- stantiven Färbung und jede Methode zeigt wieder andere Gegen- sätze. Das sind die Vorteile bei Untersuchungen ; aber es lassen sich auch Methoden ausarbeiten, die an Sicherheit und Einfachheit den heutigen gleichstehen, und die wegen anderer, oft spezifischer Elektion mindestens demonstrativen Wert haben.

Man kann natürlich, wie oben angedeutet, auch drei Beizen einwirken lassen, z. B. Eisessig, 2 Teile,

Osmiumsäure 1 "/<> ig» 1 Teil, [ AI. Acet (gesätt.) 10 Teile, Eisenoxy Chlorid (off.) 10 Teile, Molybdänsäure, P/o ig, 10 Teile (50—100 Stunden).

Im Laufe der vier Jahre, seit diese Versuche gemacht wurden, ist die Färbung durch Nachdunkeln der Schnitte infolge der Reduktion der Metalloxyde etwas zurückgetreten, aber die Bilder sind jetzt noch sehr klar. Man kann auch von vorne herein darauf ausgehen, die Teile durch reduziertes Metall sichtbar zu machen bei Schnitten von 2 4 fi., indem man z. B. wenig oder gar nicht säuert und nachher die Reduktion durch die Gewebe be- günstigt durch Alkalisierung. Beispiel einer Imprägnationsbeize : Eis- essig 1 Teil, Osmiumsäure l^/oig, 4 Teile, AI. Acet (gesätt.) 10 Teile, Eisenoxychlorid 10 Teile, Zinkchlorid 10 "/o ig, 5 Teile; drei Tage im Dunkeln; dann legt man die Stücke für zwei Tage in mit wenig Ammoniak alkalisiertes Aqua destilata oder eventuell in eine ganz dünne alkoholische Pyrogallol-Lösung. Resultat: Schnitte des Magens (fundus) zeigen die Belegzellen auch bei sehr dünnen Schnitten dunkel gekörnt (bei schwacher Vergrösserung vollständig schwarz) die Kerne hell mit dunkelm Chromatingerüst, die andern Zellen hell mit deutlichen Zellgrenzen, (Die bekannten Bezieh- ungen der Beizen zu den Farben geben alle Bücher über Farben- chemie: Georgiewicz, Schnitze und Julius : Tabellen; Pappenheim: Farbchemie.) Dass weiter noch viele speziell für die histologische Farbentechnik wichtige Beziehungen existieren zwischen Farben und Metallsalzen, die bis heute noch gar nicht bekannt, ist sehr wahrscheinlich; jedoch sind eine ganze Reihe von Metall- und Metalloidverbindungen von mir (und wohl auch von andern, ohne

€i2 Heinrich Zangger.

•dass daraus weitergehende Schlüsse gezogen worden wären) durch- probiert worden, ohne Farben zu finden, die spezifisch darauf ziehen, so die Verbindungen von As, Cd, Mn, Bi, Hg, nur wenig auch Vd. Die Silikate geben allerdings lackartige Verbindungen, aber ohne spezifische Affinität zu besondern Teilen; es giebt nur einen Niederschlag. Arsengehalt scheint einen gewissen Beizeffekt zu haben bei Methylenblau, Magdalarot, auf ungeheizte Gewebe, wie z. B. bei der Nissl-Methode.

Aehnlich wie P. Molybdänsäure, Alaun beim Hämatoxylin die ; Bindung und die Löslichkeit bedingt, so übernimmt bei den Farb- stoffen die sulfosaure Gruppe ebenfalls die Löslichkeit und Bindung mit der Faser. Diese Gruppe herrscht aber so vor, dass die Sulfosäuren (und ihre Salze) in der Histologie ganz gleich ') ver- wertet werden müssen ; eine Elektion findet nur noch nach den physikalischen Verhältnissen statt.

Beizfarben lassen sich ziemlich leicht herstellen mit sehr vielen Doppelsalzen, wenn diese mit den betr. Farbstoffen sich verbinden; aber das bedeutet bloss eine Farbverstärkung durch die Beize und entspricht nicht dem eigentlichen Zweck der Beiz- Methoden, denn die morphologischen Resultate mit Farbbeiz- gemischen sind dieselben wie bei jeder Substantiven Methode, weil man nach der gewöhnlichen Manier fixierte Gewebe färbt. Auch ^ind die Reaktionen nicht so durchsichtig, dass daraus Schlüsse auf chemische Vorgänge gezogen werden dürften. Noch einige Parallelen mit den Fischer'schen Untersuchungen, die sich nach- träglich zeigten, möchte ich hier anführen : Fischer teilt die all- gemein gebräuchlichen Fixierungsmittel nach dem Grad wie ihr Vorhandensein die Färbung hindert, ein in solche: die die Fär- bung nicht hindern (Alkohol, Formaldehyd, Essigsäure); nach meinen Erfahrungen haben nun diese auch fast gar keine beizenden Eigenschaften. Wenig hindert die Färbung das Sublimat, und es ist auch eine sehr wenig ausgesprochene Beize, und alle die Fär- bung stark hindernden (Platin-Chlorid, Tannin etc.) sind kräftige Beizen. Ferner hat die Fischer'sche Gruppe, die auch in geringen

') Ausnahmen fand ich nur in einigen neuern Handelsfarhen, deren Kon- stitution ich weiter nicht erfahren konnte, die trotzdem sie Sulfosäuren, sich doch ganz anders verhalten als alle andern. Iso-diphenylschwarz. Geigy. Setopalin Geigy.

Die Mögliclikeit einer inor])hologischen Darstellung der Zell-Narkose. 0:^

Konzentrationen die Serumglobuline wasserunlöslich, Deuteroalbu- mose und Nucleinsäure wasserlöslich fällen, das Vermögen, in die lebende Zelle einzudringen. Von den alle Eivveissarten fällenden Mitteln haben nur Fornialin, Sublimat und Osmiumsäure in saurer Lösung diese Eigenschaft, alle andern, alle Eiweissarten fällenden gebräuchlichen Fixationsmittel dringen nicht in die lebende Zelle ein, gehören aber zu den stärksten Beizen.

Eine besondere Art von Beizen muss ich noch kurz charak- terisieren, deren Wert mehr in physikalischen Eigenschaften zu liegen scheint als in chemischen. Schon bei der Essigsäure als Zusatz zu den Beizflüssigkeiten habe ich erwähnt, dass die Beize durch ihre Wirkung tiefer zu dringen scheint, dass sie also gewissermassen ein Vehikel für die Beize sei. Ehrlich hat nun (1886) gefunden, dass die schwer färbbaren Bacillen sich viel leichter färben, wenn man mit dem Farbstoff eine derartige Sub- stanz verbindet, dass die Verbindung in Wasser nur in tropfen- artiger Suspension oder Emulsion (wie Oel) aufgeschwemmt werden könne. Er gab als Paradigmen Anilin-, Phenol-, Salicilaldehj'd- Zusatz zu Fuchsin, Methylviolett etc. und deutete die Beobachtung so, dass diese Bacillen eine Hülle hätten, die schwer permeabel; diese Substanzen Anilin und Phenol würden die Farbstoffe durch die Hülle durchgleiten lassen, gewissermassen die Hüllenporen schlüpfrig machen ').

Aelmlich wirkt nun das Pyrogallol (d'Arrigo, Stampachia), aber da ist zugleich eine chemische Wirkung nachzuweisen; denn die mit Pyrogallol vorbehandelten Bacillen, die anfangs nach Fuchsinfärbung leuchtend rot sind, werden nach kurzer Zeit violett -').

*) Giebt man zu Farbstoffen, die abgetötete Kerne langsam aber echt fiu'ben (Farbstoffe, die meist auch nicht oder schwer in die lebende Zelle gehen) z. B. Anilin zur Lösung, so folgt die Tinklion viel schneller (Saffranin. Babes).

-) Die Pyrogallol-Methode scheint mir in folgender Modifikation zu Tuberkel- bacillen-Färbung in Schnitten empfehlenswert, weil die Tuberkelbacillen sich nach Pyrogallolbehandlung leichter färben und etwas säureresistenter sind. Ich verfahre so, dass ich die Schnitte statt in blossem Alkohol, vor der Färbung, für bis 1 Stunde in eine 5 107oige frische alkoholische Pyrogallol-Lösung bringe und nachher nach den gebräuchlichen Methoden färbe, am besten mit möglichst gesättigten Farblösungen (etwas weniger Alkohol als nach den Angaben von Ziehl-Xeelson).

64 Heinrich Zangger.

lieber die Hypothese der Hüllen und über die wichtigen Unterschiede der lebenden und toten Zelle in färberischer Hin- sicht folgt Näheres im folgenden Kapitel.

Ueber die Darstellung der Zell -Narkose.

(Beziehungen zur sog. vitalen Färbung.)

Von den beiden Arten, uns eine Vorstellung über die Struktur der Zelle zu machen, haben wir die Darstellung des abgetöteten Gewebes in den Grundsätzen durchgangen; das Problem, die lebende Zelle zu färben, war schon lange gestellt, aber man fand nur ganz wenige Farben, die überhaupt in die lebende Zelle ein- dringen und färben.

Bei den frühesten Versuchen sog. vitaler Färbung hatte man als ideales Ziel im Auge, was ich von der primären Beizung er- wartete, nämlich die Farben sollten in die lebende Zelle ein- geführt werden, dort ihrer chemischen Affinität gemäss sich fest- setzen, und nachher sollte das Gewebe fixiert werden und damit auch der Farbstoff. Das nannte man vitale Färbung ; bei mikros- kopisch kleinen Lebewesen beobachtete man den Vorgang der Färbung unter dem Mikroskop und nannte das vitale Färbung. Allen, die in diesen Gebieten Versuche machten, ist aufgefallen, dass die spirituslöslichen Farben eindringen in die lebenden Zellen, dagegen gar nicht die wasserlöslichen Sulfosäuren, die man fast nur noch im Handel bekam. Die Erkennung eines Prinzips war aber erst durch fundamentale Untersuchungen anderer Art möglich.

Hermann hat es wahrscheinlich gemacht, dass die sog. Nar- cotica Beziehungen hätten zu Cholestearin und Lecithin, weil er in den diese Körper enthaltenden Organen bei in Narkose getöteten Tieren relativ viel mehr Narcoticum fand als in den andern Organen (1869 1874). Gl. Bernard bewies, dass alle Zellarten durch die Narcotica narkotisierbar seien, d. h. sie stellen alle Bewegungen und Reaktionen ein, bekommen aber, wenn sie vom Narcoticum befreit sind, alle ihre vitalen Eigenschaften wieder. Das wurde fast vergessen. Seit 1895 machte Hans Meyer in Dissertationen (Pohl, Juckuff) darauf aufmerksam, dass die nar-

Die Möglichkeit einer moiphologischen Darstellung der Zell-Xarkose. 05

kotische Wirkung in enger Beziehung stehe zu der Fettlüslichkeit der Narcotica. 1898 sprach Meyer den Satz aus: Alle chemisch zunächst indifferenten Stoffe, die für Fette und fettähnliche Körper löslich, müssen auf lebendes Protoplasma, sofern sie sich darin verbreiten können, narkotisch wirken. 1901 publizierte Overton eine grosse Abhandlung über Zeil-Narkose, nachdem er unabhängig von Meyer eine grosse Zahl von Körpern auf ihre narkotische Wirkung untersuchte. Overton kommt zu demselben Resultate wie Meyer. Im Laufe seiner Untersuchung machte nun Overton darauf aufmerksam, dass die in die lebenden Zellen eindringenden Farbstoffe ähnliche physikalische Eigenschaften haben müssen, worauf besonders ihre Spritlöslichkeit deute, und er teilt die Farben ein in cholesterinlösliche und cholesterinunlösliche. Mir schien es nun sehr naheliegend, die Erfahrungen in der vitalen Färbung und in der Narkose zu vereinigen, um die Narkose dar- stellen zu können, wie auch das Absterben der Zelle.

Die Idee war: Habe ich ein Narcoticum, das gefärbt ist, so muss ich in der dadurch narkotisierten Zelle einen Ausdruck der Narkose finden. Nun sagt Meyer und Overton, dass die Fett- löslichkeit ausschlaggebendes Moment für die Stärke eines Narco- ticums sei, dass z. B. Azobenzol und Phenanthren gute Narcotica, dass aber die rein narkotisch wirkenden Körper chemisch indiffe- rent sein müssten. Die zu vitaler Färbung verwandten Farbstoffe sind aber, wie alle im Handel zu findenden, mit ausgesprochenen aktiven Gruppen versehen, die sie erst zum Farbstoff machen. Wenn diese in die Zelle eindringen, so haben wir also eine ge- mischte Reaktion : die physikalisch-chemische, bedingt durch die Löslichkeit und die rein chemische durch die sog. auxochromen Gruppen, die feste, nicht leicht reversible Verbindungen geben, deren Wirkungsstärke also nicht allein von der intrazellularen Konzentration, sondern noch mehr von der Einwirkungszeit ab- hängt. Die Färbeprobleme Hessen sich also auf folgende Schlüsse konzentrieren: Mit indifferenten Fixationsmitteln wie mit Beizen erhalten wir Kunstprodukte, die zum Funktionszustand der Zelle zur Zeit der Fixation in bestimmten Beziehungen stehen, wie ein Niederschlag oder eine Färbung bei einer chemischen Reaktion auf die Anwesenheit eines bestimmten Körpers weist, den wir aber dort durch andere Untersuchungen meist besser kennen.

Vierteljahrschrilt d. Naturf. Ges. Zürich. Jahvg. XLVII. 19Ü2. 5

G6

Heinrich Zang-srer.

Für die klinischen Untersuchungen sind dies vorläufig die einzig möglichen Methoden. Wollen wir uns aber über die Struktur der lebenden Zelle eine Vorstellung machen, so müssen wir die lebende Zelle in ihren Bestandteilen zu verdeutlichen suchen. Ueberall machte man nun die Erfahrung, dass das Verhalten der lebenden und abgetöteten Zelle ein ganz unerklärbar (Overton, 1895) ver- schiedenes sei, und jetzt wissen wir durch Overton, dass die Lös- lichkeit die Aufnahme in die lebende Zelle bedingt, ohne indessen durchgreifende Kriterieh in der chemischen Konstitution der Ver- bindungen zu haben. Bei der vitalen Färbung können wir die Funktion der Löslichkeit nicht vermeiden; ver- meiden wir daher die chemische Reaktion, so haben wir ein reines Bild der physikalisch-chemischen Beeinflus- sung, das bei einer bestimmten Konzentration der Zeil- Narkose entsprechen muss.

Was ich brauche, sind also: Litensiv gefärbte indifferente Stoffe, keine eigentlichen Farbstoffe, die öllöslich und etwas wasserlöslich (1 : 100,000 genügt) sein müssen, und die sich im Tierkörper nicht schnell zersetzen sollten, mit möglichst hohem Teilungskoeffizienten zwischen Wasser und Oel (Kernst und Overton).

ungefärbte = basische Narcotica und Alkaloide

Oellösliche Stoffe

aktive

indifferente

gefärbte = Farbstoffe zur vitalen Färbung (Methylenblau, Neutralrot)

ungefärbte = alle indifferenten Narcotica

gefärbte = die gewünschten Stoffe (intensiv) eine Andeutung der Möglichkeit las im Azobenzol vor.

Diese eigenartige physikalisch-chemische Thatsache, dass sich die lebende Zelle gegen alle fremdartigen Stoffe zu verteidigen vermag, die nicht öllöslich sind, zwang Overton, die Annahme zu

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zeil-Narkose. 07

machen, dass die lebende Zelle eine sehr dünne aber vollständige Hülle aus Cholestearin-Lecithingemischen besitze, die physikalisch- chemisch sich Fetten sehr ähnlich verhalten, die als Substanzen- filter wirke. Rechnet man mit dieser Annahme und ferner mit den Erfahrungen der Bacillenfärbung (Annahme von Hüllen durch Ehrlich), ferner damit, dass der Zellinhalt im Leben leicht alka- lisch und die Eiweissubstanzen stark gequollen sind, und ferner mit dem Umstand, dass man bis heute nur basische spritlösliche Farbstoffe kannte, die in die lebenden Zellen eindringen, so lässt sich die rätselhafte färberische Differenz zwischen der lebenden und toten Zelle mit grosser Wahrscheinlichkeit erklären: Beim Absterben der Zelle und besonders beim Fixieren, d. h. Ausfällen der Eiweisskörper durch die in die lebende Zelle eindringenden Substanzen, wird die unsichtbar -dünne Cholestearinmembran ein- reissen (Overton), z. B. auch beim Gefrieren- und Auftauenlassen, und jede wasserlösliche Substanz kann nun eindringen (die derberen Hüllen vieler Bakterien würden bei diesem Prozesse kompakt bleiben und auch nach dem Abtöten nur öllösliche Substanzen durchtreten lassen, resp. aufnehmen). Der Zellinhalt wird sich nach der Ab- tötung nun nach der chemischen Art und physikalischen Dichtig- keit den jetzt eindringenden Farbstoffen gegenüber verschieden verhalten, d. h. eventuell eine differentielle Färbung geben.

Auf dieser Grundlage ist natürlich auch die vitale Färbung im alten Sinne rationeller Ausbeutung fähig; nur muss man auch hier im Auge behalten, dass die Mittel, mit denen man den ein- gedrungenen Farbstoff an Ort und Stelle fixieren will, auch eine öllösliche Substanz sein muss, weil sie sonst nur in die abgetötete Zelle eindringt, resp. aus der lebenden Zelle durch Herabsetzung der Aussenkonzentration den Farbstoff nur herausreissen würde'), wie z. B. Vitalfärbung durch Methylenblau nicht sofort mit Molybdänsäure fixiert werden kann, die nicht in die lebende Zelle eindringt, dagegen z. B. mit Sublimat und Pikrinsäure, was wieder etwas für die Hüllentheorie spricht. Uebrigens ist das- selbe der Fall bei langsam abgetöteten und sorgfältig behandelten Zellen, z. B. bei der Nissl-Methode reisst ebenfalls Molybdänsäure das Methylenblau heraus.

') Höher machte hei Resorptionsversuchen an den Darmepithelien dieselbe Erfahruncr.

68 Heinrich Zangger.

Da wir mit sehr starken Vergrösserungen arbeiten müssen, müssen wir möglichst intensiv gefärbte Substanzen haben und Zellen deren Narkose, resp. Absterbungsgrenze bei möglich hohen Konzentrationen liegt, nach diesem also Pflanzenzellen, die nach Overton die sechsfache Konzentration ertragen gegenüber der Tierzelle (Staubfäden, Algen etc.).

Theoretische Untersuchungen über die Elektivität der lebenden Zelle sind bis heute wenige gemacht. Fischel (1901) sagt über die Elektivität der lebenden Zelle: „Welche Verhältnisse hier eine Rolle spielen, ist meines Wissens bisher nicht näher erörtert worden". Fischel gibt eine Uebersicht der verwandten Farbstoffe, die von Prof. Huppert in Bezug auf ihre chemischen Eigentümlich- keiten zusammengestellt wurden. Die Resultate sind : „Das lebende Gewebe nimmt nur basische Farbstoffe auf, saure dagegen nicht '), und zwar solche basische Farbstoffe, welche entweder einen ein- fachen Ammoniakrest NH.^ oder einen solchen, in welchem der Wasserstoff durch ein der fetten Reihe angehöriges Alkoholradikal vertreten ist, während der Eintritt von einem Phenylrest in schwer eindringende Farbstoffe die Eindringungsfähigkeit voll- ständig herabsetzt (Saffranin, Janusgrün, Baslerblau)". ., Ersetzt man die Wasserstoffe der Amingruppe durch Alkyle, so wird das Färbungsvermögen verstärkt." Methyl- und mehr noch Aethylreste vergrössern nun auch den Teilungskoeffizienten zwischen Wasser und Fetten und erhöhen damit nach Overton die Eindringungs- fähigkeit in die lebende Zelle, analog Sulfonal gegenüber Trional. Nun haben wir es aber in den Händen, hienach den Teilungs- koeffizienten beliebig zn erhöhen, da Alkylreste die Wasserlöslich- keit im allgemeinen herabsetzen.

Die übereinstimmenden Resultate der meisten Untersucher über vitale Färbung (Ehrlich, 0. Schnitze, Arnold, Fischel, Gal- leotti, Ernst, Maragliano) sind : das Plasma der lebenden Zelle nimmt diffus höchstens einen schwachen Farbenton an in wässe- rigen Farblösungen; dagegen werden cirkumscripte Stellen (Gra- nula) durch die gebräuchlichen Vitalfarben intensiv gefärbt. Der Kern bleibt im allgemeinen lange ungefärbt; sobald der Kern

') Leicht saure Hydroxylgruppen hindern den Eintritt nicht (Azonaphtol^ monoaethyliertes Eosin).

Die Möglichkeit einer inori)hoIotjisclieii Darstellung der Zeli-Xarkose. ()9

basische Farbstoffe aufnimmt, scheint die Grenze der Einwirkung, die noch rückgängig gemacht werden kann, überschritten zu sein; also die Kernfärbung gilt als Absterbeerscheinung. Schon Schultze beobachtete bei Epithelien, dass sie sich wieder entfärben und weiter leben. Hie und da findet man auch die Angabe, dass die Bewegungen der Tiere langsamer werden, auch aufhören, aber eventuell wiederkehren, wenn man sie in reines Wasser bringe. Eine Aveitere oft wiederkehrende Beobachtung ist, dass die Körn- chen durch längeres Verbleiben in der Farbe an Volumen um das Vielfache zunehmen können (Ernst). Das Haupt-Augenmerk wurde aber überall auf die für die Zellart charakteristische An- ordnung der Granula gelegt. Vergleichen wir diese Beobachtungen mit den oben angestellten theoretischen Folgerungen, so finden wir, dass zufällig Beobachtungen gemacht wurden, die darauf hindeuten, dass bestimmte gefärbte Stoffe in bestimmter Konzentration eine Narkose bedingen, die wieder rückgängig gemacht werden kann, und dass beim Einwirken derselben Farbe die Granula in den Zellen sich vergrössern, wenn auch nicht alle gleich, und beim Ueber- tragen in reines Wasser kleiner werden und sich entfärben. Da diese Vergrösserung der Granula parallel geht dem Unbeweglich- werden der Tiere, also der Narkose, und die Bewegung bei Ver- kleinerung der Körner wieder eintritt, ist es naheliegend anzu- nehmen, dass dies ein Ausdruck der Narkose sei ; aber man muss vor allem noch bedenken, dass wir nicht allen in die Zelle drin- genden Farbstoff zu sehen brauchen weil ein Teil der Farbe als Leukoverbindung in der Zelle vorhanden sein kann (Ehrlich, Plato).

Versuche aber mit vollständig indifferenten gefärbten öllös- lichen Körpern sind bis heute nicht angestellt worden.

Bisherige Versuche: Nehmen wir eine Lösung von 1 : 600 Chloroform und bringen kleine Tiere hinein, so bekommen wir (bei allen Wirbeltieren und den meisten wirbellosen) eine komplete Narkose, d. h. Schwinden der spontanen Bewegung wie der Re- flexe, die wieder auftreten, sowäe die Konzentration auf 1 : 800 1 : 1000 gesunken (Overton). Dieselbe Wirkung haben nun fast alle Produkte der Fettreihe und besonders ihre Halogen-Derivate (Schmiedeberg, Binz), ja überhaupt alle fettlöslichen Substanzen, wenn sie indifferent sind (Meyer, Overton), für Stunden bis Tage. Haben sie aber saure oder stark ausgesprochene basische Gruppen,

70 Heinrich Zangger.

SO töten sie schneller. Zu den öllöslichen Substanzen gehören nun auch die Farben, die durch Empirie für die vitale Färbung als brauchbar festgestellt wurden ; aber das sind eigentliche Farb- stoffe, d. h. Chromogene mit chemisch - aktiven Gruppen, die, wenn in der Zelle, nicht bloss physikalisch nach ihren Löslich- keitstensionen wirken, sondern die mehr oder weniger feste Ver- bindungen geben, wenn auch oft das Leben noch teilweise fort- dauern kann.

Die postulierten chemischen Körper sind nur schwer zugäng- lich und im Handel nicht zu erhalten. Azobenzol hat alle chemi- schen Eigenschaften, d. h. es wirkt narkotisch, die Zelle lebt nach der Narkose weiter, aber die Farbe ist so wenig intensiv, dass sie bei starker Vergrösserung nicht deutlich genug ist. Auch Azo- naphtol bedingt eine unschädliche Narkose, aber es ist zu wenig farbenstark. Der einzige mir zugängliche Körper war ein diaethy- liertes Eosin '), das mir von Hrn. Dr. Demuth, Assistent am Poly- technikum, in reiner Form dargestellt wurde (das Handelsprodukt ist nicht vollständig äthyliert und nicht rein, wie sich aus der Löslichkeit ergiebt). Die Untersuchungsresultate mit dem diäthy- lierten Eosin sind nun sehr ähnlich den Resultaten mit Neutralrot, besonders an den Bakterien, wie ich mich an den Wasserbakterien, die Hr. Prof. Ernst zu Vitalfärbung verwandte, überzeugen konnte. Nachdem die vollständige Bewegungslosigkeit der Bakterien eine Stunde gedauert, leben sie, in Wasser gebracht, weiter und halten verschiedene Narkosen durch diese Farbe in kurzer Zeit aus (vier in zwei Tagen). Bei dem Handelsprodukt ist die stärkere Wasser- löslichkeit auffällig und, nachdem eine ähnliche Färbung wie bei der reinen Farbe eingetreten ist, treten diffuse Plasmafärbungen ein, und auch der Kern widersteht nicht sehr lange. Ob da in der Zelle wieder Hydroxyle frei werden und die diffuse Färbung be- dingen, oder ob nicht äthyliertes Eosin eindringt, kann ich nicht entscheiden, immerhin scheint mir die Beobachtung sehr wichtig, weil dies ein saurer Farbstoff wäre in der lebenden Zelle (mit dem reinen Produkt beobachtete ich eine diffuse Färbung nie so schnell).

Anmerkung: Da methylierte Farbstoffe, wenn sie keine stark sauren Gruppen haben, nach diesen Erfahrungen in die lebende Zelle eindringen sollten.

*) Die Eosine des Handels gehen nach Overton nicht in die lebende Zelle-

Die Möglichkeit einer morphologischen Darstellung der Zeil-Narkose. 71

habe ich die verschiedenen Rhodamin-Marken der hadischen Anilin-Soda-Fahrik versucht, wo die CO . OH-Gruppe sicher intramolekular gebunden ist, und wo bei der Marke Rhodamin 3 B, die CO . OH-Gruppe äthyliert ist; aber bei keinem von diesen Farbstoffen konnte ich ein schnelles Eindringen beobachten, weil die CO . OH-Gruppe bei den einen frei wird, oder eventuell durch den Benzolkern das Eintreten verlangsamt wird, an dem die CO . OH-Gruppe sitzt.

Die morphologischen Resultate, im speziellen der Vergleich dieser mit den Angaben in der Litteratur, nmss ich auf später verschieben, weil ich zuerst feststellen möchte, wodurch die teil- weise Verschiedenheit der Resultate begründet ist, ferner warum sich z. B. nach Arnold die Granula in der abgetöteten Zelle, in den durch Müller, Osmiumsäure, Formol fixierten Zellen nicht sollen nachweisen lassen, und inwiefern mit diesen Färbungen Schlüsse auf die Struktur des lebenden Plasmas gezogen werden können. Denn aus den Vorversuchen ergeben sich Aussichten, dass von physikalisch-chemischen Gesichtspunkten aus hier klärende Versuche möglich sind. Fragt man kurz nach dem heutigen Stand der Vitalfärbung, nach den durch sie gelösten Problemen, nach den durch sie gestellten Rätseln, so muss man sagen, dass die Resultate in chemischer Hinsicht fast ganz negative waren. Die meisten Forscher suchten mit den zwei bekannten vitalen Farbstoffen : Methylenblau und Neutralrot in den verschiedenen Zellarten nach der Verschiedenheit der durch diese Farbstoffe darstellbaren Granula. Die Serienversuche mit andern Farben bleiben fast alle eine Art Autodidakten -Versuche, bei denen eine ganze Reihe wichtiger Praemissen vergessen wurden, so dass eine Kontrolle und Vergleich fast unmöglich ist, und zwar deshalb, weil die verwendeten Handelsfarben unter den gleichen Marken chemisch verschiedene Individuen sein können, und vor allem je nach der Fabrik verschiedene Zusätze enthalten können. In den meisten Fällen ist gar nicht mehr anders zu eruieren, was für Farben verwandt wurden, als dadurch, dass man mit den ver- schiedensten Marken Versuche anstellt, und diese so zufällig wieder herausfindet. Aussichten für eine prinzipielle Erklärung dieser Fragen, wie fremde Körper in das lebende Protoplasma zu bringen seien, eröffnet uns vor allem die Untersuchung über die Narkose.

Die Rätsel in der Vitalfärbung sind sehr komplizierter Art. Für die Lösung einiger geben diese Untersuchungen Anhalts-

'- lleiiii-ich ZuiiiTger.

punkte; für andere sind noch gar keine Aussichten der Lüsung da, weil jede Parallele fehlt. Da nur basische Stoffe eindringen sollten in die lebende Zelle, nahm man oft an, dass die sich färbenden Teile saurei- Natur seien; da ich aber nachgewiesen habe, dass vollständig äthyliertes Eosin auch dieselben Teile färbt, das docii mit den verschiedenen färbenden Substanzen nur die leichte Fettlöslichkeit gemein hat, ist bewiesen, dass die sog. Granula eine Löslichkeitstension gegen die Farbstoffe an den Tag legen, die physikalisch-chemisch eine Eigenschaft der flüssigen Fette ist und der Cholesterin-Lecithinsuspensionen, ohne dass ich jedoch in irgend einer chemischen Hinsicht darüber etAvas aussagen könnte. Overton fand, dass auch Körper mit Hydroxyl- und sogar Carboxylgruppen Narkose erzeugen, also in die lebende Zelle eindringen und ihre Lebensfunktionen erst sekundär schä- digen. Saure Farbstoffe, sagt Fischöl, gehen nicht in die lebende Zelle. Auch ich konnte bei ausgesprochenen sauren Farbstoffen kein Eindringen beobachten; hingegen bei schwach sauren (OH- Gruppen), und halte es auch für möglich, dass z. B. verätherte Farbstoffe im lebenden Plasma zu sauren Farbstoffen gespalten werden könnten. Es ist auffallend, dass der Kern sich so lange vom Farbstoff frei hält, das legt die Vermutung nahe, dass er nur Substanzen aufnimmt im Leben, die durch das Plasma verändert worden sind, und es ist sehr wohl möglich, Substanzen der Art zu finden, die sich im Plasma schnell in der Weise verändern, dass sie auch der Kern aufnimmt. Ob die Beobachtungen, dass während des Absterbens der Zelle in sehr vielen Fällen eine Ent- färbung eintritt, nur auf Reduktionsprozessen beruht, ist wohl noch nicht entschieden. Vollständig rätselhaft ist die toxische Wirkung der verschiedenen auch gesättigten Farben mit methy- lierten auxochromen Gruppen, besonders die Fälle, wo die Toxi- cität durch Methylierung sogar zunimmt. Um Vergleiche mit den stark giftigen Alkaloiden ziehen zu können, die in der Wirkung sich eventuell ähnlich verhalten, sind deren chemische Konsti- tutionen zu wenig erforscht.

Aus dem bakteriologischen Laboratorium des eidg. Polytechnikums.

Untersuchungen über das Zürcher Grundwasser mit besonderer Berücksichtigung seines Bakteriengehaltes.

Von Oskar Thoiiiaui].

Hiezu Tafel I.

Die Stadt Zürich bezieht zur Zeit ihr Trinkwasser haupt- sächlich aus dem See, zum kleinern Teil aus Quellen; nicht nur das Seewasser, sondern auch ein Teil der letztern werden vor der Abgabe filtriert. Die Quellwasserversorgung soll nun in nächster Zeit um ein erhebliches erweitert werden, indem sich die Stadt im Sihl- und Lorzethal eine Anzahl sehr ertragreicher und sehr reiner Quellen erworben hat, die in erster Linie zur Speisung einer grossen Zahl laufender Brunnen dienen sollen, während der Über- schuss in die Reservoirs der bisherigen Versorgung geleitet wird. Hiedurch kann das in den Häusern verteilte Leitungswasser nur gewinnen, einmal durch die Verdünnung mit ganz einwandfreiem Wasser, wie es ein Oberflächenwasser nur höchst selten sein kann, und dann durch eine Entlastung der Filter.

Das Zürichseewasser zeigte zur Zeit der Erbauung der jetzigen Wasserversorgung einen ausserordentlich hohen Grad der Reinheit. Dies ist heute nicht mehr in gleichem Masse der Fall. Ich lasse hier einige Resultate aus den im städtischen Laboratorium gemachten Untersuchungen^) folgen, aus welchen die Qualitätsveränderung deutlich hervorgeht :

Das Rohwasser enthielt beim Filtereinlauf

im Jahre Keime pro cm-'

1886 157

1887 226

1888 188

1889 175

1890 123

1891 583

1892 638

1893 714

1894 1267

1895 2659

1896 1253

1897 1011

1898 1764

1899 1201

1900 1962

'I Geschiiflsberichle der Stadt Zürich 1886—1900.

74 Oskar Thomann.

Wir sehen also, dass der Bakteriengehalt des Seewassers relativ stark gestiegen ist; immerhin ist derselbe auch heute noch nicht grösser als derjenige im Rohmaterial mancher anderer städtischer Wasserversorgungen mit Oborflächenwasser ; so bezieht z. B. die Stadt Berlin einen Teil ihres Trinkwassers aus dem Mügelsee, welcher nach Untersuchungen von Günther und Spitta^) in den Jahren 1894 bis 1897 ungefähr den gleichen Bakteriengehalt auf- wies wie das Zürcher Rohwasser in den Jahren 1897 bis 1900,

Wenn nun, namentlich mit Hinblick auf die neue Quellwasser- versorgung, jetzt an eine andere Trinkwasseranlage gar nicht zu denken ist, kann man es doch nicht als ausgeschlossen betrachten, dass sich die Stadt einst gezwungen sähe, ihre Seewasserversorgung durch eine andere zu ersetzen, namentlich dann, wenn eine an- dauernde Verschlechterung des Rohmaterials statthätte und wenn sich auch eine Verlegung der bei den heutigen Verhältnissen nicht sehr günstigen Fassungsstelle als ungenügend erweisen würde.

Schon mehrere deutsche Städte sind dazu gekommen, ihre Oberflächenwasserversorgung durch eine solche mittelst Grund- wassers zu ersetzen ; es wäre wohl möglich, dass auch Zürich noch einmal diesen Weg einschlagen würde. Es schien uns deshalb nicht nur von wissenschaftlichem sondern auch von praktischem Interesse zu sein, das Grundwasser einiger auf dem Gebiete der Stadt Zürich befindlicher Brunnen zu untersuchen.

Von jeher wurde, wenn es sich um die Beschaffung eines Trink- wassers handelte, das Wasser von Tiefbrunnen und Quellen dem- jenigen aus Flüssen und Seen vorgezogen; nur wenn Quell- oder Grundwasser nicht in genügender Quantität vorhanden war, oder wenn die Beschaffenheit desselben zu wünschen übrig Hess, griff man zur Oberflächenwasserversorgung; bei dieser ist man aber meistens darauf angewiesen, das Rohmaterial durch centrale Fil- tration zu verbessern, welches Mittel zuerst in England in grossem Masstabe Verwendung fand; unter dem Einfluss englischer Tech- niker verbreitete sich diese Art der Wasserversorgung auch in Deutschland^). Man glaubte sich bei einer richtig installierten und

') Bericht über die Untersucliung des Berliner Leitungswassers, Arcli. f. H. XXXIV, 101.

^) Wahl, Leitende Gesichtspunkte bei Vorarbeiten und Anlage von Grund- wasserversorgungen. Journ. f. Gasbeleucht. 1898, No. .39 und 40.

Untersuchungen über das Zürcher Grundwasser. 75

geleiteten Filtrationsanlage aller Sorgen in Bezug auf Verbreitung von Krankheiten durch das Wasser enthoben, und in der That könnte man, wenn sich die Filtrationskraft der gebräuchlichen Sandfilter als vollkommen erwiese, d. h. wenn durch die letztern sämtliche Mikroben zurückgehalten würden, die Gefahr der Ver- breitung von Infektionskrankheiten durch das Trinkwasser als be- seitigt betrachten. Früher wurde oft ohne weiteres angenommen, dass dem so sei. Piefke und FränkeP) haben aber gezeigt, und die Ergebnisse späterer Forschungen bestätigen es, dass die Leistungs- fähigkeit der Filter ihre Grenzen hat ; wenn die Kontrolle derselben ungenügend ist oder gar fehlt, kann die Filtration geradezu illusorisch werden.

Das Grundwasser ist nun in der Hauptsache nichts anderes als ein auf natürlichem Wege filtriertes Oberflächenwasser. Diese natürliche Filtration ist, im Gegensatz zu der künstlichen, häufig eine absolut einwandsfreie, d. h. das Produkt derselben ist völlig- keimfrei. So fand Fränkel-) das Grundwasser „selbst an einem Ort, wo es dicht unter einem stark verunreinigten, seit langer Zeit bebauten und bewohnten Boden strömte" bakterienfrei, und in seiner Abhandlung „lieber Mikroorganismen in verschiedenen Boden- schichten"^) äussert er sich folgendermassen : „Ich glaube, dass man da, wo eine bakteriologische Prüfung des Bodens unter Beob- achtung der nötigen Vorsichtsmassregeln zur Ausführung kommt, gleichfalls nur in den oberflächlichen Schichten Mikroorganismen verschiedener Art, die tiefern Lagen, einschliesslich des Grund- wasserbezirkes, hingegen keimarm oder sogar keimfrei antreffen wird". „Eine Ausnahme hievon werden natürlich alle diejenigen Fälle machen, in welchen in der Tiefe selbst eine Quelle der Ver- unreinigung besteht oder wo durch die Hand des Menschen die natür- lichen Verhältnisse des Bodens allzu gewaltsam umgestaltet sind".

Diese Ansicht wird wohl in Bezug auf gut filtrierende Boden- arten, zu denen die grossen Sandflächen Norddeutschlands zu rechnen sind, ihre Gültigkeit haben ; es giebt aber auch viele Gegenden, wo die Verhältnisse nicht so günstig sind. So hat beispielsweise

^) Versuche über die Leistungen der Sandfiltration. Zeitschr. f. Hyg. VIII, p. 1. ^) Ueber Brunnendesinfektion u. Keimgehalt des Grundwassers. Zeitschr. f. H. VI, p. i>3.

3) Zeitschr. f. Hyg. II, 581.

70 Oskar Tlioiuaiui.

Jaeger') gefunden, dass auf dem Plateau der schwäbischen Alb OboiHächenwasser ungereinigt 200 m tief durch Felsspalten in Quellen niedersickerte. Unter andern hat namentlich Imbeaux-) den Wert verschiedener Bodenarten als Filtriermaterial beleuchtet ; er warnt beispielsweise vor dem Grundwasser aus dünnen, zerris- senen Kalkfelsen, empfiehlt dagegen dasjenige aus altern und Jüngern alluvialen Schichten, wenn Sandkorn und Poren fein sind, und wenn die filtrierende Schicht wenigstens ß m dick ist. Ein sehr gutes Fillriernuiterial scheint sandiger Lehm zu sein ; Pfuhl'') fand, dass Keimfreiheit schon gesichert wurde durch eine 0,9 bis 1 m dicke „gewachsene" Schicht dieser Bodenart. Keimarmes bis keim- freies Wasser fanden z. B. noch M. Neisser^) bei Untersuchungen in der Nähe von Breslau, und Chomski-^) bei der Prüfung von Brunnen auf dem Gebiete der Stadt Basel; in den letztgenannten Arbeiten ist die Zusammensetzung des Bodens nicht angegeben. Woher kommt es nun, dass z. B. eine 1 m dicke Sandschicht bei unsern künstlichen Filtern so viel weniger sicher filtriert als eine gleich dicke Schicht gewachsenen Sandbodens? Die natürliche und die künstliche Filtration haben doch vieles Gemeinsame. Wie bei den Sandfiltern so bildet sich auch in den oberflächlichen Schichten des Bodens eine sogenannte Filterhaut, indem feine Schlammteilchen u. s. w. die gröbern Poren verstopfen. Dieselbe bewirkt eine bessere Filtration, hat aber mit der Zeit eine Ab- nahme des Ertrags zur Folge und bedingt schliesslich in den cen- tralen Filteranlagen die Erneuerung der Sandschicht. Die natür- liche Filtration unterscheidet sich nun aber von der künstlichen ganz besonders durch die viel grössere Oberfläche der filtrierenden Schichte und durch eine weit kleinere Geschwindigkeit des durch- sickernden Wassers. Dies genügt allein schon, um die Superiorität

'J Die Wechselwirkungen zwischen Fhiss- und Grundwasser in hygieu. ßeziehg. Hyg. Rdsch. 1898, p. 617.

^) Les eaux i)otahles et leur röle hygieni({ue dans le Depart. de Meurthe- et-Moselle, Nancy 1897. Ref. Revue d'hygiene 1898, p. 53.

^) Untersuchungen üher den Keimgehalt des Grundwassers in der mittel- rheinischen Ehene. Zeitschr. f. Hyg. XXXII, p. 118.

*) Dampfdesinfektion u. -Sterilisation v. Brunnen und Bohrlöchern. Zeitschr. f. H. XX, 301.

'') Bakt. Untersuchungen des Grund- und Leilungswa.ssers d. Stadt Basel. Zeitscln-. H. XVII, p..l30.

Untersucliungeii über das Zürcher Grundwasser. 77

der natürlichen Filtration zu erklären ; andere Faktoren, beispiels- weise die Verschlechterung der Existenzbedingungen für Bakterien mit der Tiefe der Bodenschichte, namentlich bei tiefer gelegenen Grundwasserzonen werden ohne Zweifel auch noch eine Rolle spielen. Selbstverständlich gelten diese Verhältnisse nur für dichtere aber immerhin poröse Bodenarten, während, wie schon erwähnt, Boden- und Gesteinsschichten mit Spalten und Rissen das Wasser unfiltriert durchtreten lassen.

Besondere Verhältnisse werden geschaffen durch die Anwesenheit von Flüssen ; wenn Ufer und Untergrund aus dichtem Material bestehen, kann sich aus dem Schlamm und andern festen Bestand- teilen des Wassers eine so dichte Haut bilden, dass kein oder dann nur wenig und gut filtriertes Flusswasser ins Grundwasser gelangen kann ; bestehen dagegen Ufer und Untergrund aus lauter grobem Geschiebe oder aus zerrissenen Felsschichten, so wird häufig das Grundwasser durch schlecht filtriertes Oberflächenwasser verunreinigt. E. Cramer^) konnte nachweisen, dass zwei in der Nähe des Neckars gelegene Tiefbrunnen in Heidelberg ein Wasser förderten, welches mit gut filtriertem Flusswasser gemischt war. Thiem'-) machte die Erfahrung, dass gerade durch Pumpwerke in der Nähe von Flüssen häufig der Schlamm der letztern in den Boden eingesogen wurde, wodurch die Filterhaut dichter geworden sei. Kabrhel^) konnte bei einem Brunnen, welcher 19 m von der Iser entfernt lag, durch die Temperaturunterschiede von Fluss- und Grundwasser die Verbindung des Brunnens mit dem Flusse nach- weisen; die Zuflüsse aus dem letztern, welche mit der Thätigkeit der Pumpe zunahmen, waren indessen nicht gut filtriert (poröser Sandstein) : mit der Tourenzahl der Pumpe stieg der Keimgehalt des geschöpften Wassers. Aehnliche Verhältnisse haben z. B. Flügge^) und Gärtner^) in Breslau, beziehungsweise Dresden, konstatiert.

^) Die beiden Heidelberger Tiefl)runiieii u. ihr Verhältnis zum Neckar. Verhdlg-. des naturhist. Vereins zu Heidelberg 1897. Ref. Hyg. Rundsch. 1898, 989.

^) Grundwasserversorgung mit besond. Berücksichtigung der Enteisenung. Vierteljschr. f. ö. G. XXIX, 1897, p. 8.

^} Ein interessanter Fall von Trinkwasserbeurteilung. Monalsschr. f. Ges.- pflege 1898. No. 4. Ref. Hyg. Rundsch. 1899, ]). l'2n.

*) Ueber die Beziehungen zw. Flusswasser und Grundwasser in Breslau nebst kritischen Bemerkungen über die ehem. Trinkwasseranalyse. Zeitschr. f. Hyg. XXVH, p. 445.

■') Die Dresdener Wasserfrage. Hygien. lUuidsch. 1897, p. 57.

78 Oskar Tlioninnn.

Wenn eine Verunreinigung des Grundwassera einmal zustande gekommen ist, dann werden die Bakterien durch den Grundwasser- strom leicht fortgeschwemmt. Untersuchungen in dieser Richtung haben Pfuhl') und einige italienische Forscher^) angestellt, indem sie dem Grundwasser an einem Orte Prodigiosuskeime beimischten und an einer weiter abwärts gelegenen Stelle des Grundwasser- stroms das Wasser auf diese leicht nachweisbare Bakterienart prüften. Eine solche Verschleppung von Bakterien gab schon Anlass zu unliebsamen Erfahrungen. So fanden z. B. Levy und Bruns^'), dass ein gut konstruierter Abessynierbrunnen, welcher die Verbreitung einer Typhusepidemie verursacht hatte, ungenügend filtriertes Schmutzwasser aus einer in der Nähe gelegenen Senk- grube lieferte. Dass die Filtration des Grundwassers in der Rich- tung des Grundwasserstroms lange nicht so zuverlässig ist wie in der Richtung von der Bodenoberfläche gegen die Tiefe können wir leicht begreifen; denn hier haben wir es mit einer viel grössern Filtrationsgeschwindigkeit zu thun. Wenn selbst die obersten Schichten des Grundwassers durch Bakterien verunreinigt sind, können darunter befindliche Zonen noch keimfrei sein. Dieser Zu- stand wird allerdings, wie PfuhP) gezeigt hat, leicht gestört durch die saugende Wirkung einer stark beanspruchten Pumpe, welche dem Grundwasser eine erhebliche Geschwindigkeit in vertikaler Richtung erteilt. Schon aus diesem Grunde muss verlangt werden, wie z. B. Kurth^) es gethan hat, dass die Umgebung selbst tief geschlagener Röhrenbrunnen auf einen gewissen Umkreis, der je nach Filtrationskraft des Bodens, Geschwindigkeit des Grundwasser- stroms und Intensität der Pumpe zu bemessen ist, vor Verunreini- gung geschützt werde.

') Ueber die Verschleppung von Bakterien durch das Grundwasser. Zeit^chr f. Hyg. XXV, .549. '

-) Abba, Orlandi u. RondelH. Ueber die Filtrationskraft des Bodens u. die Fortschwemmung von Bakterien durch das Grundw. Zeitschr. f. Hyg. XXXI. j). 0(i.

=") Zur Hygiene des Wassers. Arch. f. Hyg. 1899, XXXVI, p"l78.

*) Untersuchungen über die Verunreinigung v. Grundwasserbrunnen v unten her. Zeitschr. f. H. XXI, p. 1.

^) Ueber die gesundheitliche Beurteilung der Brunnenwässer im bremischen Staatsgebiet mit bes. Berücksichtigung des Vorkommens von Ammoniumverb u deren Umwandlungen. Zeitschr. f. H. XIX, p. 1.

Untersuchungen über das Zürcher Grundwasser. 79

Früher und zum Teil jetzt noch war die Fassung des Grund- wassers oft recht mangelhaft; die zahlreichen, schlecht gebauten Kesselbrunnen , welche vor Verunreinigung durch naheliegende, undichte Abortgruben , sowie durch Oberflächenwasser durchaus nicht geschützt sind, haben dasselbe in argen Verruf gebracht. Erst seitdem exaktere Untersuchungen, namentlich nach Anwen- dung der Sterilisation von Pumpen und Bohrlöchern, so günstige Resultate ergeben haben, und seitdem man auch bei der Ausführung- praktischer Anlagen darauf bedacht ist, das Grundwasser einwands- frei zu Tage zu fördern, wird dasselbe von den Hygienikern voll und ganz gewürdigt. Ich erwähne beispielsweise die Arbeiten von Hueppe '), Gärtner ^), Fränkel ^), Kruse *), Bechmann ^) und Canalis ^).

Während man sich früher allgemein berechtigt glaubte, ein Wasser einfach nach den Ergebnissen der chemischen und bak- teriologischen Untersuchungen, manchmal sogar nur einer Probe, zu beurteilen, wird kein Hygieniker mehr auf Grund dieser Er- gebnisse ein Gutachten abgeben, wenn er die örtlichen Verhält- nisse nicht kennt. Das Wasser einer Quelle, welches unter Um- ständen bei guter Witterung sowohl in der bakteriologischen als auch in der chemischen Untersuchung ganz günstige Ergebnisse aufweist, kann bei Regenwetter durch Zuflüsse von unfiiltriertem Oberflächenwasser , Jauche u. dgl. sehr stark verunreinigt sein. Ein gutes Untersuchungsresultat bei nur einmaliger Probenahme kann uns über die Verwendbarkeit eines Trinkwassers durchaus keinen Aufschluss geben. Die örtlichen Verhältnisse, die Nähe von Schmutzstätten, undichten Kanälen, stark gedüngtem Boden, alle die Faktoren, welche nur durch eine Besichtigung an Ort und Stelle ermittelt werden können, spielen bei der hygienischen Be- urteilung eines Trinkwassers eine grosse, ja die Hauptrolle. In

') Die hyg. Beurteilg. des Trinkwassers u. s. w. Journ. f. Gasb. 1887, XXX. U.iG. Ebenso J. f. Gasb. 1888, XXXIII, 31-").

•^) Hygiene des Trinkwassers. Journ. f. Gasb. 1894, XXXVII, 448.

^) Zur Frage der Wasserversorgung. Deutsche med. Woehenschr. 1892, p. 9->2.

*) Kritische und experimentelle Beiträge zur hvgien. Beurteilung des Was- sers. Zeitschr. f. H. XVII, p. 1.

^) Comple rendu du congres de Buda-Pest 1894. Revue d'hvgiene 1894. 8r3l.

®j L'uso delle falde aquee .sotterranee nelbi, alimentazione delle citta. Torino, Frat. Pozzo 1S99, Ref. Revue d'hygiene 1«99, p. 104G.

8^ Oskar Thomann.

manchen Fällen kann diese sog. Lokalinspektion genügen, ein Wasser als unbrauchbar zu erklären. So äussert sich z. B. Grober ') über die Bedeutung, welche der chemischen und bakteriologischen Untersuchung in der hygienischen Beurteilung eines Trinkwassers zukommt, folgendermassen : „Die Untersuchung von Wasserproben hat nur Wert, wenn und insofern sie uns Aufschluss über Dinge giebt, die wir bei der örtlichen Untersuchung nicht ohne weiteres wahrnehmen können: Ueber gewisse Wasserqualitäten (Härte), ferner über das Bestehen der Gefahr, dass der Boden selbst nicht genügend reinigt, also über den Reinheitszustand des Bodens und über dessen Leistungsfähigkeit als Filter".

Die beiden letztgenannten Eigenschaften des Bodens lassen sich selten ohne weiteres erkennen ; in der Regel müssen wir des- halb die bakteriologische und die chemische Untersuchung zu Rate ziehen.

Die bakteriologische Untersuchung ist ein ausserordentlich wertvolles Mittel zur Prüfung der Filtrationskraft des Bodens, was in erster Linie durch die Bestimmung der Zahl der im Grund- wasser vorhandenen Keime geschieht. Hueppe 2) war dann der erste, welcher auch die Berücksichtigung der Arten verlangte, da uns erst diese Aufschluss gebe über die Herkunft der Mikroben. Besonders sind es Fäulnis- und Fäkalbakterien, auf welche man hier das Augenmerk richtet, denn hauptsächlich diese können uns auf den Zusammenhang einer Quelle u. dgl. mit Schmutzstätten aufmerksam machen, in die gelegentlich auch pathogene Keime gelangen können. Migula ^) hat sogar vorgeschlagen, die Zahl der in einem Wasser vorkommenden Arten und nicht die Zahl der Individuen zu ermitteln, indem er von der Beobachtung ausging, dass er nur bei einem grössern Artenreichtum des Wassers Fäulnisbakterien in demselben fand.

Zahlreiche Methoden sind ausgebildet worden zur Fahndung auf Bacterium coli commune, welches sich stets in menschlichen und tierischen Fäkalien vorfindet und deshalb in hohem Masse ge-

') Die Grundlagen der hygien. Beurteilung des Wassers. D. Vierteliahrsschr f. ö. Ges. 1891, XXV, p. 41.5. •■') 1. c.

^) Die Artzahl der Bakterien bei der Beurteihin-? des Trinkwassers C B 1899, VIII, 354. . L.. .

Untersuchungen über das Zürcher Grundwasser. 81

eignet erscheint, den Zufluss aus Latrinen u. s. w. zum Wasser anzuzeigen. In neuerer Zeit wird von verschiedenen Forschern dem Colibefund keine grosse Bedeutung mehr zugemessen; Weissen- feld ') spricht demselben sogar jeglichen Wert ab , da er fand, „dass Bacterium coli aus Wässern jeder Herkunft, guten und schlechten, zu züchten sei, wenn man nur genügend grosse Mengen des Wassers zur Züchtung benutzt". Aus Wasserj^roben von 1 1 gelang es W. stets, Coli herauszuzüchten; wendete er dagegen nur je 1 cm'^ an, so konnte er in 92 ^/o der als schlecht bezeich- neten und in 27 "/o der als gut bezeichneten Brunnen dieses Fäkal- bakterium nachw^eisen. Auch die Zahlen können mich von der völligen Wertlosigkeit des Colibefundes keineswegs überzeugen; der letztere soll ja nicht an und für sich allein die Frage über das Vorhandensein unreiner Zuflüsse zum Wasser entscheiden, leistet aber ohne Zweifel unter Umständen doch einen wertvollen Beitrag zur Lösung dieser Frage. Dass sich bact. coli in verein- zelten Exemplaren ja in jedem Wasser finden kann, ist längst bekannt; so schreibt z.B. Burri'-) in einer Arbeit „Ueber den Nachweis von Fäkalbakterien im Trinkwasser": „Die Menge von 1 cm^ ist vollständig genügend, um die Verunreinigung zu konsta- tieren. Ln Gegenteil, würde man nach Pere mit 1 1 arbeiten, so müsste man wahrscheinlich dazu kommen, eine Reihe wirklich guter Wässer für verunreinigt zu erklären. Die Vertreter der gedachten Bakteriengruppe finden sich eben überall und sind nicht streng an den tierischen Organismus gebunden, so dass sie leicht vereinzelt in tadellose Wässer übergehen können".

Die chemische Untersuchung des Wassers kann uns ebenfalls auf das Vorhandensein unreiner Zuflüsse zum Trinkwasser auf- merksam machen. Wir können aus einem übermässig hohen Ge- halt eines Wassers an Chlor, org. Substanz, Ammoniak u. s. w. beispielsweise die Vermutung bestätigt finden, dass eine Grube oder dgl. in der Nähe der Fassungsstelle undicht sei. Besteht der betreffende Boden aus gut filtrierendem Material, so wird die bakteriologische Prüfung diese Verunreinigung nicht anzeigen.

ij Der Befund des Bacterium coh im Wasser und das Tierexperiment sind keine brauchbaren Hülfsmittel für che hvgien. Beurteihnig des Wassers. Ztschr. f. H. XXXV, p. 78.

^j Hygien. Bundschau 18'J5, V, p. 4'J.

Vierteljahrsschi-ift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. XLVII. 1902. 6

8l2 Oskar Thomann.

Das Wasser ist dann zunächst nicht gesundheitsschädlich und auch nicht in hohem Masse verdächtig; denn allfällig aus der Grube austretende pathogene Keime werden ja durch den Boden zurück- gehalten. Dennoch ist dasselbe als Trinkwasser natürlich nicht zu empfehlen; denn erstens ist es unappetitlich, und zweitens wissen wir nicht, ob die Filtrationskraft des Bodens von Dauer ist.

Wir wissen, dass die „verdächtigenden" Stoffe, von denen wir gewöhnlich annehmen , dass sie uns den Zufluss unreiner Wässer anzeigen, gelegentlich auch einmal harmlosen Ursprungs sein können. So hat beispielsweise Kurth ') im Grundwasser von Bremen verhältnismässig viel Ammoniak gefunden, welches her- rührte von einem kleinen Torfgehalt der alluvialen, grundwasser- führenden Schichten. Das Ammoniak, sowie natürlich auch die daraus entstandenen Oxydationsprodukte, salpetrige und Salpeter- säure, waren in diesem Falle für die hygienische Beurteilung des Wassers belanglos. Aehnlich kann es sich gelegentlich verhalten mit einem Gehalt an org. Substanz, Schwefelsäure u. s. w.

Aus diesem Grunde dürfen wir ein Wasser durchaus nicht ohne weiteres als gesundheitsschädlich erklären, weil dessen Ge- halt an Chlor, Ammoniak u. s. w. die sog. Grenzwerte überschrei- tet, welche von einigen Forschern aufgestellt worden sind. Diese Grenzzahlen haben nur insofern einen Wert, als sie den Hygieniker auf Abnormitäten im Salzgehalt eines Wassers aufmerksam machen ; sind solche vorhanden, so sucht man an Hand der Ergebnisse der Lokalinspektion deren Ursache, und erst wenn man diese kennt, hat das Resultat der betreffenden chemischen Untersuchung für die hygienische Beurteilung des Wassers einen Wert'.

Quantitative Wasseruntersuchung.

Seit der Einführung der festen, durchsichtigen Nährmedien in die Bakteriologie durch Koch sind eine grosse Zahl von Abän- derungsvorschlägen für deren Zubereitung gemacht worden, zum Teil speziell mit Hinsicht auf die quantitative Wasseruntersuchung.

Die ursprüngliche Vorschrift diente zur Herstellung schwach alkalischer Gelatine, wobei zur Prüfung der Reaktion Lakmus-

1.

Untersuchungen über das Zürcher Grundwasser. 83

papier angewandt wurde. Reinsch ') stellte fest , dass bei der Analyse von Elbewasser ein Alkaligehalt der Gelatine von 1— 2Voo die grösste Zahl von Kolonien zur Entwicklung brachte. Unter- suchungen von Dahmen-) ergaben, dass derselbe Sodagehalt, bez. 1,5 7o«j '^^^ günstigsten war bei der quantitativ bakteriologischen Untersuchung von Rheinwasser ; zu gleichen Resultaten gelangten Burri ^) und Kleiber •*) bei der Prüfung von Bonner Leitungs-, be- ziehungsweise Zürichseewasser auf deren Keimgehalt.

Schultz ^) , Wolthügel und Timpe ^) , Lehmann ^) und andere empfehlen, zur Prüfung der Reaktion der Nährböden statt des oft wenig empfindlichen und unzuverlässigen Lakmuspapiers Phe- nolphtalein als Indikator anzuwenden. Dabei muss aber bedacht werden , dass ein auf Phenolphtalein neutraler Nährboden auf Lakmus stark alkalisch reagiert. So enthält z. B. Lehmanns „neutrale" Gelatine mehr Soda als Dahmens „stark alkalische" Gelatine. Der erstgenannte der beiden Forscher giebt an^), dass nach Untersuchungen von Winkler zahlreiche Bakterienarten, welche daraufhin untersucht wurden, fast gleich gut wuchsen auf folgenden Nährböden:

1) Auf Phenolphtalein neutral reagierende Gelatine mit Zusatz von 10 cm'' ^ Alkali pro 1.

2) Auf Phenolphtalein neutral reagierende Gelatine.

3) Auf Phenolphtalein neutral reagierende Gelatine mit Zusatz von 10 cni'^ -^ Säure.

Auf Grund dieser Ergebnisse empfiehlt er als Universalnähr- boden eine auf Phenolphtalein neutral reagierende Gelatine. Timpe ^) fand, dass das Optimum der Wachstumsfähigkeit vieler Arten bei

M Zur bakteriologischen Untersuchung des Trinkwassers. C. B. 181)1, X, 41.").

-) Die bakteriologische VVasseruntersuchung. Chem. Zeitg. 189;2, XVI, 802.

3) Ueber einige zum Zwecke der Artcharakterisierung anzuwendende, bak- teriologische Untersuchungsmelhoden. Inaug. Dissert. Zürich 1893.

*) Bakteriologische Untersuchungen des Zürichseewassers. Inaug. Dissert. Zürich 1894.

*) Zur Frage der Bereitung einiger Xährsubstrate. C. B. 1891, X, p.

^) Timpe, Ueber den Einlluss der Eiweisskörper auf die Reaktion der Nährböden. C B. 1893, XIV, 84.").

■') Lehmann und Neumann, Atlas und Grundriss der Bakteriologie. 2. Aufl. 1899. p. 24.

«) 1. C. 9) 1. C.

84 Oskar Thomaiin.

der Acidität 16 liege (d. h. es sind zur Neutralisation von 1 1 Ge- latine 16 cm'' Normalkali nötig), während die Acidität der früher üblichen „schwach alkalischen" Gelatine um 25 herum schwanke. Das Fleisch ist oft recht verschieden zusammengesetzt, somit auch die Bouillon. In dem Bestreben, ein stets in gleicher Qua- lität zu beschaffendes Ausgangsmaterial für die Nährstoffbereitung zu besitzen, und um diese selbst zu vereinfachen, wurde neuer- dings vorgeschlagen, anstatt des Fleisches, wie dies früher oft ge- schah, Liebigs Fleischextrakt zu verwenden. Im Jahre 1899 ver- öffentlichte das deutsche Reichsgesundheitsamt *) die Vorschrift zur einfachen Herstellung einer Extraktgelatine, welche speziell zur Prüfung von Filteranlagen anzuwenden sei. Nach derselben wird die Bouillon bereitet durch Lösen von

2 Teilen Fleischextrakt Liebig ]

2 Teilen Pepton und \ in 200 Teilen Wasser.

1 Teil Kochsalz »

Aus dieser Bouillon wird dann eine 10 °/oige Gelatine bereitet mit einem Alkaligehalt, wie Reinsch und Dahmen ihn vorge- schlagen haben.

Auch diese Vorschrift wurde dann von verschiedener Seite modifiziert, namentlich zum Zwecke, bei der Wasseruntersuchung mehr Keime zur Entwicklung zu bringen. So bereitet sich Abba -) eine Nährgelatine aus Liebig'schem Fleischextrakt ohne Zusatz von Pepton, neutralisiert auf Phenolphtalein, und setzt erst noch Vs gr Soda pro Liter hinzu.

J. Thomann ^) schlägt vor, eine Gelatine mit etwas geringerm Extraktgehalt, als die Vorschrift des Gesundheitsamtes angiebt, zu bereiten und Dikaliumphosphat zuzusetzen, da er beobachtet hatte, dass die Anwesenheit dieses Salzes im Nährboden ein charakte- ristischeres Wachstum gewisser Mikroben zur Folge hatte; so bildeten z. B. fluorescierende Bakterien auf der gewöhnlichen Ex-

') Grundsätze für die Heiniyuni^- von Oberflächenwasser zu Zeiten der Choleragefahr. Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes 1899, XXIII, 108.

^) Ueber die Notwendigkeit, die Technik der bakteriologischen Wasser- untersuchung gleichförmiger zu gestalten. Zeitschr. f. Hyg. XXXIII, p. 372.

') Ueber die Brauchbarkeit verschiedener Nährböden f. d. l)akt. Wasser- untersuchung. C. B. ± Abt. VI, 790.

Untersuchungen über das Zürcher Grundwasser. 85

traktgelatine keinen Farbstoff, wohl aber auf einer solchen mit Dikaliumphosphatgehalt.

Hesse und Niedner ^) empfehlen zur quantitativen Wasser- untersuchung einen Nähragar von sehr einfacher Zusammen- setzung :

Agar-agar 1,25 V«»

Albumose (Nährstoff Heyden) . . 0,75 7«»

Destill. Wasser 98,00 «/o.

Dieser Nährboden hat nach den Angaben der Verfasser folgende Vorteile:

Er ist sehr leicht herzustellen, gebraucht weder Zusatz von Alkali noch von Säure und kann stets von gleicher Zusammen- setzung erhalten werden.

Auf demselben lässt sich, weil keine Verflüssigung statthat, die Zählung der Kulturen in jedem Falle so lange fortsetzen, bis keine neuen Kolonien mehr auftreten; es entwickeln sich darauf durchschnittlich etwa zwanzig mal so viele Keime als auf den üblichen alkalischen Bouillonnährböden.

P. Müller-) hat diesen Albumoseagar zur quantitativen Ana- lyse verschiedener Wässer angewandt und ist zu folgenden Resul- taten gekommen:

1) „Auf dem Albumoseagar gedeihen weit mehr Arten von Wasserbakterien als auf den gebräuchlichen alkalischen Bouillon- nährböden.

2) Die Differenz der auf beiden Nährböden erhaltenen Keim- zahlen ist am grössten bei längere Zeit (über Nacht) gestandenem Leitungswasser, geringer bei laufendem Leitungswasser und bei Brunnenwasser, am geringsten bei stark verunreinigten Wässern, wie Flusswasser, Bachwasser u. s. w. und bei Wasser, dem direkt Kot oder zersetzter Harn beigemischt wurde".

Unseres Erachtens kommt dazu noch der Nachteil, dass die Herstellung der Agarplatten wenigstens bei der Aussaat an Ort und Stelle nicht ganz so einfach ist wie diejenige von Gelatine-

^) Die Methodik der bakteriologischen Wasseruntersuchung. Zeilschr. i. H. XXIX, 4.54.

-) Ueber die Verwendung des von Hesse und Niedner empfohlenen Nähr- bodens bei der bakteriologischen Wasseruntersuchung. Arch. f. Hyg. 1900, XXXVITT, p. 350.

Oskar Thoniaiin.

platten. Ferner fällt der Umstand in Betracht, dass uns diese Agarwasserplatte, wie wir später sehen werden, viel weniger An- haltspunkte gibt zur Bestimmung der Bakterien.

Einen Nährboden , welcher ebenfalls viel mehr Keime zur Entwicklung bringen soll als die Fleisch wassergelatine, hat Kurth ') schon im Jahre 1894 auf seine Verwendbarkeit zur bakteriologi- schen Kontrolle von Wasserfiltern geprüft ; es ist dies eine Pepton- wassergelatine von der Acidität 10. Auf diesem Nährboden wuch- sen einige bisher nicht bekannte Bakterienarten, welche auf Fleischwassergelatine nicht gediehen; dagegen zeigten die bekannten Wasserbakterien auf demselben kein charakteristisches Wachstum : Die Verflüssigung ging langsam vor sich; Fluorescens bildete keinen Farbstoff u. s. w. Kurth empfiehlt diesen Nährboden nicht zur bakteriologischen Untersuchung des Wassers, trotzdem der- selbe erheblich mehr Keime zur Entwicklung bringt ; er geht von der Ansicht aus, dass kein Bedürfnis vorliege, jene neuentdeckten Bakterienarten in jedem Falle zur Anschauung zu bringen.

Bevor ich zur bakteriologischen Untersuchung des Grundwas- sers überging und zum Teil noch während der Ausführung der- selben, prüfte ich folgende Nährböden in Bezug auf ihre Verwert- barkeit zu diesem Zwecke:

I. Nährgelatine nach Dahmen, d. h. mit einem Zusatz von 1,5 °/oo Soda zu der auf Lakmus neutral reagierenden Ge- latine. IL Nährgelatine nach Lehmann, auf Phenolphtalein neutral.

III. Extraktgelatine nach den Angaben des Reichs-Gesundheits- amtes.

IV. Albumose-Agar nach Hesse und Niedner.

Die Prüfung des Nährbodens IV auf seine Acidität ergab, dass zur Neutralisation (auf Phenolphtalein) von 1 1 Albumoseagar 1 2 cm^ Normalalkali notwendig gewesen wären. Die Gelatine I zeigte im Mittel einen Aciditätsgrad von ca. 14; die vor der Sterilisation neutral reagierende Gelatine II war nach derselben schwach sauer (Aciditätsgrad 2 4); Gelatine III war nach der Sterilisation um einige Grade weniger sauer als Gelatine I.

') Die Thälij^keit der Filteranlage des Wasserwerkes zu Bremen vom Juni 1893 bis August 1894 u. s. w. Arbeiten aus d. Clesundheilsamt 1894, XI, p. 4:23. Siehe auch p. 8, ^).

Untersuchuii2:en über das Zürcher Grundwasser.

87

Die Resultate der Untersuchungen, welche zum Vergleiche dieser vier Nährböden untereinander dienten, sind in den nach- stehenden Tabellen zusammengestellt. Die angegebenen Kolonien- zahlen stellen die Mittelwerte aus je vier bis sechs Wasser- platten dar.

1. Versuch.

Wasser v. Brunnen I.

Kolonien pro cm^

13. Nov. 1900.

Nach

Tagen

2

3

4

6

7

8

9

10

Gelatine I

4

7

18

34

42

49

52

57

Gelatine II

3

6

30

40

40

43

47

ca. 50

Extraktgelatine III . .

3

4

30

53

53

64

64

ca. 70

2. Versuch. Wasser v. Brunnen I, nach 10 stündigem Stehen

bei Zimmertemperatur.

11. Januar 1901.

"

Nach

Tagenl

1 1 1 " 1

3

4

5

6 7 8

9 10

11 1 12 1

Gelatine I . . .

10

16

17

17

23

23

ca. 25

ca. 25

verfl.

Gelatine II . . .

13

16

20

20

ca. 25

ca. 25

ca. 30

ca. 30 ca. 30

ca. 30

Extraktgelatine III .

36

42

51

55

ca. 55

ca. 60

ca. 60

ca. 65

ca. 70

ca. 70

3. Versuch, Wasser v. Brunnen I, nach 20 stündigem Stehen

bei Zimmertemperatur.

11. Januar 1901.

Nach

, Tagen

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

Gelatine I . . .

19

22

23

26

28

28

28

30

38

verfl.

Gelatine II . . .

15

15

21

22

24

27

30

32

33

35

Extraktgelatine III .

44

50

58

60

77

83

88

92

99

99

4. Versuch. Wasser vom Brunnen III. 15. Mai 1901.

Nach

Tagen

3

5

9

10

78

139

143

143

81

111

verflgt.

81

124

verflgt.

Gelatine I . . . Gelatine II . . . Exktraktgelatine III

88

Oskar Thomann.

5. Versuch. Wasser vom Brunnen I.

■2\). November 1900.

Nach

Tagen

4

5

6

7

8

9

10

11

12 ! 13

Gelatine I . . .

4

7

10

12

15

17

18

18

18

18

Gelatine II . . .

ü

9

12

13

15

16

17

17

17

17

Extr.-Gelatine III .

9

12

15

20

22

23

23

23

23

23

Albumose-Agar . .

21

31

40

48

57

60

63

63

63

63

6. Versuch. Wasser vom Brunnen IV.

5. Februar 1901.

Nach

'

Tagen

6

^

8

9

10

11

12

13

14 15

Gelatine I . . .

9

10

10

10

10

10

11

11

11 11

Gelatine II . . .

16

17

18

18

19

19

19

20

20 20

Extr.-Gelatine III .

17

18

18

20

20

21

22

22

23 23

Albumose-Agar . .

133

149

159

176

186

196

197

198

198 198

7. Versuch. Wasser vom Brunnen IV, IV2 Stunden gepumpt.

20. Januar 1902.

Nach

Tagen

4

7

8

9

10

11

21

Gelatine I

3

6

8

9

10

10

14

Albumose-Agar

4

22

26

26

28

33

50

In den vorstehenden Tabellen fallen uns in erster Linie di& hohen Keimzahlen auf;, welche einigemal bei Anwendung des Hesse'schen Agarnährbodens ermittelt wurden. Allerdings ist das Verhältnis der Kolonienzahlen auf dem Albumoseagar zu den- jenigen auf Nährgelatine noch lange nicht so gross, wie es von Hesse und Niedner gefunden worden ist. So erhielt ich z. B. (Versuch 5) im Wasser aus dem sehr stark beanspruchten Brun- nen I auf dem Albumoseagar nur etwa dreimal so viel Keime als auf der gewöhnlichen Nährgelatine. Im Wasser des Brunnens IV, einem Abessynier, fand ich nach einstündigem Pumpen (6. Versuch)

Untersuchungen über ilas Zürcher Grundwasser. 89

auf dem Albumoseagar etwa zehnmal so viel Keime als auf den Gelatineplatten, ein anderes mal, nach anderthalbstündigem Pum- pen, nur 3^/2 mal so viel (7. Versuch). Meine Resultate sind in- sofern denjenigen von Müller ^) ähnlich, als auch hier der Unter- schied der Keimzahlen auf den beiden Nährböden in einem Was- ser, welches längere Zeit in der Pumpe stand, in viel höherem Grade zum Ausdruck kam.

Die Albumose-Agarplatten zeigten hauptsächlich viele rote, orangegefärbte und gelbe Kolonien, von denen sich nur letztere, und zwar in geringerer Anzahl, auf der Nährgelatine vorfanden. Die Farbstoff bildenden Bakterien der Albumose-Agarplatten dürf- ten vielleicht teilweise mit jenen Pigmentbakterien identisch sein, welche Kurth-) mit Hülfe der Peptongelatine entdeckt hat.

Für die Prüfung der Filtrationskraft des Bodens, Avelche wir in unserer Arbeit besonders im Auge haben, scheint es überhaupt nicht nötig zu sein, alle diese Keime zur Entwicklung zu bringen. Es genügt uns, nachzuweisen, ob und eventuell in welcher Menge die auf der Fleischwassergelatine wachsenden Mikroben der Erd- oberfläche im Grundwasser angetroffen werden. Die Gelatineplatte giebt uns gelegentlich Anhaltspunkte zur Artbestimmung und da- mit über die Herkunft der Bakterien^ was man von der Albumose- Agarplatte nicht in gleichem Masse behaupten kann. So bilden oberflächliche Kolonien auf der letztern oft nur sehr dünne, unter Umständen schwer sichtbare Häutchen oder dann schleimige, un- regelmässig begrenzte Tropfen.

Was die drei von mir geprüften Gelatinenährböden anbetrifft, so brachten dieselben annähernd gleich viele Kolonien zur Ent- wicklung, wenn die Platten kurze Zeit nach der Probenahme ge- gossen wurden. Nur wenn es sich um Wasserproben handelte, welche längere Zeit gestanden hatten, wuchsen auf der Extrakt- gelatine erheblich mehr Kolonien als auf den Fleischwassernähr- böden. Es scheint uns deshalb gleichgültig zu sein, welche der drei Gelatinearten wir zu unsern quantitativen Untersuchungen verwenden. Für die qualitative Prüfung dagegen eignen sich dieselben nicht in gleichem Masse, indem gewisse Bakterien auf den verschiedenen Nährböden auch verschieden, mehr oder weniger

•) 1. c. 2) 1. c.

90 Oskar Thomaiin.

typisch, wachsen können. So breitete sich z. B. ein Bacterium fluoresc. liquefaciens anf Gelatine II weit stärker aus und ver- flüssigte viel später als auf Gelatine I; auf der Extraktgelatine wuchs dasselbe bedeutend langsamer und bildete keinen Farbstoff. In gleicher Weise bieten auch andere Bakterienarten, hauptsäch- lich verflüssigende, auf verschiedenen Nährböden, je nach Alkali- nität , Konsistenz u. s. w. , recht verschiedene Bilder. Deshalb scheint es mir das richtigste zu sein, zum Zwecke der Auffindung gewisser Arten einen Nährboden zu wählen, mit dem man in Be- zug auf Artdiff"erenzierung eine gewisse Uebung erlangt hat, und davon nur abzugehen , wenn zwingende Gründe es erheischen. Durch das Bestreben, bei der Wasseruntersuchung möglichst viele Keime zur Entwicklung zu bringen, sind eine ganze Reihe von Nährböden empfohlen worden. Da hiedurch eine Vergleichung der Resultate sehr erschwert wird, wäre es dringend zu wünschen, dass man sich auf einen derselben einigen könnte.

Aus den angegebenen Gründen hielt ich es für das richtigste, als Hauptnährboden die Nährgelatine zu wählen, welche wir in unserm Laboratorium bisher zu Wasseruntersuchungen fast aus- schliesslich verwendet haben, die Fleischwasserpeptongelatine mit 1 V2 Voo Sodagehalt.

Was die Dauer der Zählung anbetrifft, so setzten wir die- selbe, wie dies auch von Hesse und Niedner, Müller und andern empfohlen wurde, so lange fort, bis keine neuen Kolonien mehr auftraten, sofern nicht eine Verflüssigung der Platten dies un- möglich machte.

Während die Kolonienzahl verschiedener Platten desselben Wassers in den ersten Tagen oft sehr grosse Unterschiede auf- Aveist, findet mit der Zeit meistens etwelche Ausgleichung statt. Das Beispiel auf folgender Seite möge dies illustrieren.

Die Uebereinstimmung der Kolonienzahlen der verschiedenen Platten untereinander ist allerdings nicht in jedem Falle so günstig wie hier.

Die Notwendigkeit einer langen Fortsetzung des Zählens geht auch aus andern Versuchsergebnissen hervor. Während bei dem angeführten Beispiel zehn Tage nach der Aussaatmenge erst

'.

\

Ui

tersuchungen

über

das

Zürclier Grundwasser.

91

Versuch

vom 11.

Februar 1901.

Aussaat- menge

Nach

4

Kolonien pro cm^

Tagen

21

5

6

7

8

9

10

11

12

Platte a . .

V2 cm^

4

8

48

56

56

56

56

56

58

Platte b . .

'/2

G

34

50

54

54

54

54

54

verfl.

Platte c . .

1 ,

1

34

42

42

nicht

42

45

46

46

52

Platte d . .

1 ,

1

25

32

32

36

38

41

45

54

Platte e . .

v-^ .

4

22

34

34

gezählt

36

36

36

36

56

Platte f . .

'h- .

4

10

36

36

44

44

44

44

54

Mittel . . .

3

22

40

42

45

45

46

47

55

82 0/0 aller wa

Lchstum

sfäli

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Kei

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ezählt

wei

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kon

nten

. fand

häufig, namentlich bei sehr keimarmem Wasser, schon nach acht Tagen keine Erhöhung der Kolonienzahl mehr statt. Es ist dies aus den weiter unten folgenden Tabellen ersichtlich.

Die qualitative bakteriologische Prüfung beschränkte sich in der Hauptsache auf den Nachweis von Bacterium coli commune. Zu diesem Zwecke benutzte ich seiner Einfachheit wegen das Verfahren von Freudenreich ^) mit einigen kleinen Ab- änderungen. U-förmig gebogene liöhrchen, also eine Art Gähr- kölbchen, wurden mit fünfprozentiger Milchzuckerbouillon gefüllt, im Dampfe sterilisiert, dazu je 1 cm' des zu prüfenden Wassers gegeben und die so beschickten Röhrchen im Brutschrank von 37 ° aufbewahrt. Um die Methode auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen, wurden jeweilen von jedem Röhrchen, welches Gährung zeigte, Plattenkulturen angelegt. In allen Fällen im ganzen deren zehn zeigten diese letztern Colibakterien und zwar mei- stens in Reinkultur. Wurde dagegen von demselben Wasser eine Probe nach Zusatz von Pepton und Kochsalz in Form steriler, konzentrierter Lösung bei 37 " gebrütet, so entwickelten sich

') Ueber den Nachweis von Bacillus coli communis im Wasser und dessen Bedeutung. C. B. 1. Abt. XVIII, 102.

'^^ Oskar Thoniaiin.

in denselben vorherrschend verflüssigende Bakterien, wie sich durch Plattenkulturen nachweisen liess. Es scheint demnach, dass der grosse Zuckergehalt hemmend auf das Wachstum einzelner verflüssigender Keime wirkt. Hiefür spricht auch der Umstand, dass die meisten Röhrchen, welche keine Gährung aufwiesen^ steril blieben.

Neben dem Freudenreich'schen Verfahren wurden auch noch die beiden Methoden nachgeprüft, welche Weissenfeid in der früher citierten Arbeit zur Untersuchung kleinerer (1 cm^) und grösserer Mengen (1 1) Wassers auf Coli anwandte. Bei dem ersten Ver- fahren beschickte er Bouillonröhrchen mit je 1 cm-^ Wasser, gab dazu einige Tropfen Parietti'sche Lösung (5 Karbolsäure, 4'salz- säure, 91 Wasser) und hielt die Röhrchen bei 37 « im Brutschrank. Wenn eine Trübung der Bouillon eintrat, wurden davon Platten- kulturen angelegt, von diesen letztern „Coliähnliche" abgestochen, auf Gährfähigkeit u. s. w. geprüft. Von fünf Röhrchen, welche auf diese Weise untersucht wurden, enthielten vier Reinkultur von Bact. coli commune; einmal war die Trübung durch ein Bakterium hervorgerufen worden, welches Traubenzucker nicht zu vergähren vermochte.

Zur Prüfung grösserer Mengen Wassers auf das Vorhanden- sein von Coli versetzte W. je V2-I 1 mit so viel konzentrierter Pepton-Kochsalz-Lösung, dass die Mischung V2— 1 »/o Pepton ent- hielt, und bewahrte diese 24 Stunden bei 37« auf. Dann suchte er aus der Flüssigkeit durch das Plattenverfahren Colibakterien zu isolieren.

Wie schon erwähnt, habe ich dieses Verfahren auch ange- wandt. Um jede Verunreinigung der Proben durch Staub u. s. w. möglichst auszuschliessen, fasste ich das Wasser in sterilen Kappen- flaschen von V2-V4 1 Inhalt. Im Laboratorium goss ich dasselbe in sterile 1-Kolben, welche schon die nötige Menge konzentrierter Pepton-Kochsalz-Lösung enthielten. In allen Fällen im ganzen dreizehn zeigte so hergestelltes Peptonwasser, nachdem das- selbe 24 Stunden bei 37« gehalten worden war, starkes Wachs- tum. Zehnmal konnte ich in der getrübten Flüssigkeit durch das Plattenverfahren Coli auffinden, während dreimal die Gelatine- platten nur verflüssigende Kolonien aufwiesen ; auch bei Anwesen- heit von Coli herrschten diese letztern weit vor.

Ik Uiitersuchuniien über das Zürcher Grundwasser. '.»3

P Auf diese Weise fand ich viermal Bact. coli in sehr keini- armem Wasser mit nur je 2, 17, 5 beziehungsweise 4 Bakterien pro cm^.

Wenn wir zum Nachweis von Bact. coli comm. sehr grosse Mengen Wassers verwenden, giebt uns ein positives Resultat keine Anhaltspunkte über die Menge der im Wasser vorhandenen Mikroben dieser Art. Könnte doch das Resultat der Untersuchung wahrscheinlich ebenso gut positiv ausfallen, wenn nur zwei Coli- bakterien im 1 sich vorfinden, als wenn deren hundert vorhanden gewesen wären ! Wenn wir also so grosse Mengen Wassers zur Prüfung herbeiziehen, können wir den Grad der Verunreinigung durch Coli nicht konstatieren. Aus diesem Grunde ist z. B. Guiraud ') dazu gekommen, bei dem von Pere ^) vorgeschlagenen Verfahren nur 100 200 cm-* Wasser anzuwenden statt 1 1. Freuden- reich'') beschickt je 3 Gährkölbchen mit 1, 10 und 20 Tropfen und Smith ^) deren 10 mit je 0,1 0,2 0,3 u. s. w. bis 1,0 cm-' Wasser. Ohne Zweifel sind die Bakterien im Wasser nicht immer so gleichmässig verteilt, dass man bei jedem Tropfen Wasser ge- rade eine Durchschnittsprobe vor sich hat. Ich vermute , dass diese beiden Methoden infolgedessen doch nicht so genaue Resul- tate erzielen, wie sie es nach den erwähnten Vorschriften bestreben.

lieber die Menge Wassers, welche zur Konstatierung einer auf den Zutritt von Fäkalien zurückzuführenden Verunreinigung durch Coli anzuwenden ist. können bestimmte Vorschriften wohl kaum gemacht werden. Wohl aber scheint mir die Verwendung von sehr grossen Mengen Wassers (Va 1 1) zum Nachweis un- reiner Zuflüsse nach den Befunden von Weissenfeid und den Re- sultaten der allerdings wenig zahlreichen eigenen Untersuchungen als durchaus ungeeignet. Wie schon erwähnt, beschickte ich je- weils eine Anzahl Gährkölbchen (wenigstens 3 4) mit 1 cm-'.

') Les eaux potables de la ville de Toulouse au point de vue bacteriologique et sanitaire. He vue d'hygiene 1894, p. 1)34.

-) ContribuUon ä Tetude des eaux d'Alijer. Annales de l'inst. Pasteur 1801, p. 7'J.

^) 1. c. *) Ueber den Nachweis des Bacillus coli communis im Wasser. C. B. 1895, XVIII, 494.

^^ Oskar Thomann.

Die chemische Untersuchung beschränkte sich auf die- jenigen Bestimmungen, welche uns Anhaltspunkte geben für die Verwendung eines Wassers als TrinkAvasser. Ausserdem wurde emigemal der im Wasser absorbierte Sauerstoff bestimmt. Im folgenden will ich die von mir angewandten Methoden kurz skiz- zieren; im allgemeinen hielt ich mich an die bei uns üblichen Vorschriften, wie sie im schweizerischen Lebensmittelbuch ano-e- geben sind. °

Trockenrückstand: .Te 200 cm^ Wasser in einer Platinschale emgedampft und bei 103—105" getrocknet.

Glührückstand: Trockenrückstand erhitzt bis zum Ver- schwinden allfällig aufgetretener Bräunung, mit kohlensäure- haltigem Wasser befeuchtet, getrocknet und bis zu kon- stantem Gewicht auf 150—160'^ erhitzt.

Alkalinität: Je 100 cm^ Wasser mit ~ Salzsäure titriert mit Methylorange als Indikator.

Oxydierbarkeit: Nach der Methode von Kübel: 100 cm* Wasser mit Ueberschuss von ^ Kaliumpermanganatlösung und 5 cm^ Schwefelsäure (1 : 3) versetzt, 5 Min. gekocht, 10 cm'^ -^ Oxalsäure zugegeben und mit Permanganat zurück- titriert.

Freies Ammoniak: a) DireÄ:^ nach Frankland und Armstrong : 100 cm^^ Wasser mit 2 cm=^ Entkalkungsflüssigkeit versetzt, absetzen lassen, 50 cm=^ abdekantiert und nesslerisiert.

b) Durch Destillation : Von 500 cm^ Wasser in Wanklyn'- scher Retorte nach Zusatz von 10 Tropfen ammonfreier, gesättigter Sodalösung 200 cm'^ abdestilliert, das Destillat nesslerisiert.

Albuminoides Ammoniak: Nach Beendigung der eben er- wähnten Destillation 50 cm'' alkalische Permanganatlösung zugegeben, 150 cur abdestilJiert, das Destillat nesslerisiert"!

Chlor: Je 100 cm" Wasser nach Mohn mit i^ Silbernitratlösung titriert mit Kaliumchromat als Indikator.

Auf Schwefelsäure wurde meist nur auf qualitativem Weg geprüft; wenige quantitative Bestimmungen wurden ge- wichts-analytisch ausgeführt.

Auf salpetrige Säure wurde das mit verdünnter Schwefel- säure versetzte Wasser mittelst Jodkaliumstärke geprüft.

UntersuchuiiKeii über das Zürcher Grundwasser.

95

Auf Salpetersäure wurde mittelst Diphenylamin geprüft; da HNOo nie vorhanden war, brauchte keine andere Methode angewandt zu werden; quantitative Bestimmungen der HNO3 wurden nicht ausgeführt.

Der absorbierte Sauerstoff wurde nach der Methode von L. W. Winkler bestimmt: Ein bestimmtes Quantum Wasser mit einer Jodkalium-Natronlauge-Lösung und Manganchlorür versetzt, die Fällung mit Salzsäure gelöst und das hiebei ausgeschiedene Jod mit ~ Natriumthiosulfatlösung titriert.

Die Angaben über die Grundwasserverhältnisse der Stadt Zürich konnte ich den Messungen entnehmen, welche zur Zeit vom Tiefbauamt regelmässig ausgeführt werden, sowie einem Grund- wasserplan von anno 1883, welcher mir vom Ingenieur der Wasser- versorgung zur Verfügung gestellt wurde. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Stadtingenieur Wenner und Herrn Peter, Ingenieur der Wasserversorgung, hiefür meinen ergebensten Dank auszusprechen.

Aus den genannten Daten konnte ich folgendes entnehmen: Der Grundwasserspiegel senkt sich vom See her gegen NW (Richtung der Bahnlinie nach Altstetten); in einem Profil NO— SW liegt dessen tiefster Stand nicht etwa in der Limmat, sondern in der Regel zwischen dieser und der Bahnlinie. Daraus können wir schliessen, dass ein Grundwasserstrom, welcher sowohl vom Uetli- berg als auch von der Limmatseite her Zufluss erhält, vom See aus ungefähr parallel der Limmat thalabwärts sich zieht. Der Wasserstand der letztern übt auf denselben einen starken Einfluss aus, indem das Grundwasser in der Nähe des Flusses stärkere Niveauschwankungen des letztern deutlich mitmacht, während in grösserer Entfernung dies nicht oder nur in geringem Grade und erst nach einiger Zeit der Fall ist. Wir ersehen dies beispiels- weise aus folgenden Angaben : (Siehe Situationsplan.) ]ViveavisoliAvaiiltiiiig-on

der Limmat des Grundwassers

Vom 1.- 3. Aug. 1901 , 9.-10. Okt. 1901 , 11.— 1^2. Okt. 1901

Limmatpe^iel Ai

Brunnen A2

Brunnen A3

ea. öl)0 m. v. d. Limiuat.

a. 1000 m. V. d. Liiimiit.

+ 51 cm.

+ 32 cm.

+ 16 cm.

+ 30 ,

+ 19 ,

ö ,

- 14 ,

2 ,

+ 20 ,

90 Oskar Thornanii.

Für regelmässige, periodisch vorgenommene Untersuchungen standen mir vier Brunnen zur Verfügung, die sich zum Teil, wie später erörtert werden soll, ihrer Lage halber allerdings kaum zum Bezüge von Trinkwasser für die Stadt eignen würden, uns aber doch einen wichtigen Aufschluss geben über die Filtrations- kraft des sandhaltigen Kieses, in dem sie sich befinden, und spe- ziell über den Einfluss ihrer Entfernung von der Limmat auf verschiedene Wasserqualitäten.

Ich lasse nun zunächst eine nähere Beschreibung der Lage und Beschaffenheit der einzelnen Brunnen folgen, bei denen die Proben zu den bakteriologischen und chemischen Untersuchungen entnommen worden sind. (Siehe Situationsplan).

Die mit I , II , III und V bezeichneten Brunnen liegen im Alluvialgebiete von Limmat und Sihl, in welchem die Molasse be- deckt ist von einer aus Kies und Sand aufgebauten Schicht: Brunnen IV dagegen liegt im Gebiete der Schuttkegel am Albis, deren oberste Schicht aus undurchlässigem Lehm besteht.

Brunnen I, ein 9 m tiefer, ausgemauerter Schacht-Brunnen in der Meyer' sehen Seidenfärberei, liegt etwa 50 m von der Lim- mat entfernt an derem linkem Ufer ; das Niveau des Grundwassers steht etwa 5 m unter der Erdoberfläche. Bald nach Beginn der Untersuchungen wurde über dem Schachte ein Gebäude errichtet, sodass derselbe, wenigstens bei den spätem Probenahmen, gegen direkte Verunreinigung durch Oberflächenwasser ganz sicher ge- schützt war. (Einige Meter von der jetzigen Fassungsstelle entfernt befindet sich ein alter Schacht, welcher heute nicht mehr benutzt wird und welcher allerdings vor bakterieller Verunreinigung nicht absolut gesichert ist.) Das Wasser wird durch ein seitlich ange- brachtes Saugrohr mittelst eines Kapselwerkes zu Tage gefördert ; täglich werden nahezu 2000 m^ Wasser aus dem Schachte ge- hoben. Zur Probenahme wurde in kurzer Entfernung von der Pumpe im Druckrohr ein kleiner Hahn angebracht. Es sei mir hier gestattet, Herrn Meyer für sein freundliches Entgegenkommen meinen ergebensten Dank auszusprechen.

Brunnen II, ebenfalls ein gemauerter Schacht-Brunnen, be- findet sich vor dem Kesselhause der Maschinenfabrik von Escher. Wyss & Co., etwa 450 m vom linken Ufer der Limmat entfernt. Der Schacht ist nicht ganz 6 m tief; er wird oben durch einen

Untersuchungen über das Zürcher Grundwasser. 97

schweren eisernen Deckel abgeschlossen. Der Grundwasserspiegel liegt 3' 2—4 m unter der Bodenoberfläche. Die Fassung geschieht in gleicher Weise wie beim Brunnen I; der Probehahn ist eben- falls in gleicher Weise angebracht im Druckrolir eines Kapsel- werkes, welches tagsüber ohne Unterbruch thätig ist. Ausser dem Saugrohr dieser Pumpe führen aus dem Brunnenschachte noch einige weitere Leitungen zu Pumpen, welche nur zeitweise in Be- trieb stehen. Für die Ueberlassung dieses Brunnens zu meinen Untersuchungen, sowie für die Anbringung des Probehahns bin ich Herrn Direktor Zoelly zu grossem Dank verpflichtet.

Brunnen III befindet sich hinter dem Hause No. 371 der Hohlstrasse, unweit der Bahnlinie nach Altstetten, von der Limmat etwa 1 km entfernt. Früher stand an derselben Stelle ein gegen 6 m tief gegrabener Sodbrunnen. Auf Veranlassung des Gesund- heitswesens wurde dann in den sandigen Boden des Schachtes ein Abessynier noch etwa 1 Vs m tief nach Aussage des Mieters eingeschlagen ; der alte Schacht ist durch einen Bretterboden nicht besonders gut abgeschlossen. Bis vor etwa drei Jahren soll in unmittelbarer Nähe des Brunnens ein Düngerstock gestanden haben und das Wasser dazumal braun und völlig unbrauchbar gewesen sein. Bald nach der Entfernung des Düngerhaufens trat dasselbe meist farblos aus der Pumpe und, wie ich mich selbst überzeugte, ist dies auch heute der Fall ; es enthält aber namentlich nach an- haltendem Pumpen häufig feinen Sand und hie und da auch kleine Fetzchen , welche mir verkohlte Pflanzenteile zu sein schienen, deren Provenienz mir allerdings nicht klar ist. Etwa 10 m vom Brunnen entfernt und zwar in Bezug auf den Grundwasserstrom aufwärts, befindet sich eine Jauchegrube. In einer Entfernung von 25 m, ebenfalls oberhalb des Brunnens, fliesst der „Letzigrabcn" vorbei, ein Bach, welcher weiter oben die Al)wässer mehrerer Häuser und bei schlechtem Wetter den Schlamm eines Teils der Badenerstrasse aufnimmt. Etwa 40 m vom Brunnen aus in süd- licher Richtung ist eine Kiesgrube so tief angelegt worden, dass das Grundwasser bei etwas hohem Stande in derselben zu Tage tritt; zur Zeit wird sie mit Schlacken, Bauschutt und Abi-aum wieder ausgefüllt, wodurch wohl leicht eine direkte Verunreinigung der obersten Grund wasserschicht herbeigeführt werden kann.

Die erwähnte und auch einige andere in der Nähe gelegene

Vierteljahisschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. XLVII. 1902. 7

98 Oskar Thoiiuuin.

Kiesgruben lassen uns einen klaren Einblick thun in den Aufbau des dortigen Bodens. Der letztere besteht in der Hauptsache aus gröberem Kies ; doch scheinen die Zwischenräume mit Sand voll- ständig ausgefüllt zu sein, so dass man von einem ziemlich dichten, porösen Boden sprechen kann.

Brunnen IV, ein etwa 6 m tief geschlagener Abessynier, be- findet sich nicht mehr in der Limmatebene, sondern an einer flachen Lehne am Uetliberg , ca. 200 m unterhalb der Ziegelei Heuried, beim Haus No. 279 der Birmensdorferstrasse ; von dieser ist er etwa 7 m entfernt; etwa 10 m östlich von demselben zieht sich ein Graben vorbei, welcher nur zeitweise Wasser führt. Das Grundwasser steht hier nur etwa 37-2 m unter der Boden- oberfläche.

Brunnen V, 350 m westlich von Brunnen III gelegen, ist ein frisch erstellter, 13 m tief geschlagener Abessynier; das Niveau des Grundwassers stand zur Zeit der Untersuchung etwa 6 m tief im Boden.

Allem Anschein nach wurden die tiefern Bodenschichten beim Schlagen des Rohres verunreinigt, so dass sich der Brunnen zur Beurteilung der bakteriologischen Beschaffenheit des Untergrundes, bez. der Filtrationskraft des Bodens, nicht eignete. Von grösserem Werte aber dürften die Resultate der chemischen Untersuchung sein zum Vergleich mit der Beschaffenheit des Wassers der andern Brunnen.

Brunnen VI ist ein frisch erstellter Schachtbrunnen, welcher zur Ergänzung der Quellwasserversorgung einer Nachbargemeinde von Zürich dient. Derselbe befindet sich am rechten Ufer der Limmat, gegen 50 m von einem Fabrikkanal entfernt. Das Wasser wird nur dann, w^enn die Quellen einen zu geringen Ertrag auf- weisen, durch eine Pumpe aus dem Schachte gehoben und ins Re- servoir befördert. Auch diesen Brunnen konnte ich zur Beurteilung der bakteriellen Beschaffenheit des Grundwassers nicht benutzen, da derselbe während nur ganz kurzer Zeit in Betrieb stand. Vor der Probeentnahme zu der später erwähnten chemischen Unter- suchung war die Pumpe einen Tag lang in Thätigkeit gewesen.

Die Brunnen, an welchen ich meine Versuche vornahm, konn- ten nicht ausser Gebrauch gestellt werden, weshalb eine Sterili- sation mittelst Chemikalien unmöglich war; zu einer solchen mit-

Untersucliimgeu über das Zürcher Grundwasser. 99

telst Dampfes aber fehlten mir die nötigen Apparate. Versuchsfehler, welche allenfalls aus der Unmöglichkeit der Sterilisation hervor- gehen konnten, suchte ich durch sehr langes Pumpen auszuschlies- sen oder wenigstens auf ein möglichst kleines Mass herabzudrücken. Um zu sehen, ob nach halbstündigem Pumpen eine weitere Fortsetzung desselben auf den Keimgehalt des beförderten Wassers noch von Einfluss ist, wurden bei den Abessynierbrunnen (III und IV) Proben nach halbstündigem und nach einstündigem Pumpen entnommen und untersucht. Der Keimgehalt beider Proben war jeweils, wenn man von Unterschieden, welche durch unvermeid- liche Versuchsfehler infolge ungleichmässiger Verteilung der Bakterien u. s. w. hervorgerufen sein konnten, absieht, in allen

Fällen gleich :

Brunnen III Brunnen IV

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In der Folge wurden die Proben zur Sicherheit dennoch erst nach einstündigem Pumpen entnommen, wo bei den Resultaten nicht ausdrücklich etwas anderes bemerkt ist.

Wie schon früher erwähnt wurde , stehen die Pumpen der Brunnen I und II tagsüber ohne Unterbruch in Betrieb. Um zu- fällige Verunreinigung möglichst auszuschliessen, wurde der zur Entnahme dienende Hahn jeweilen schon 15 bis 20 Minuten vor der Fassung der Proben offen gehalten. Um zu konstatieren, ob trotz dieses langen Durchströmen s von Wasser allfällige Verun- reinigung der Hähnchen auf den Keimgehalt der Proben ungünstig einzuwirken vermöge, wurde beim Brunnen I, welcher das bak- terienreichere Wasser lieferte, folgender Versuch gemacht:

1) Probe entnommen nach 10 Min. langem Ausströmen des Wassers, dann

2) Das Hähnchen sorgfältig ausgerieben, der Belag vom Innern desselben in zwei Gclatineröhrchen verteilt und aus diesen Kollröhrchen hergestellt.

3) Nach der Reinigung wieder 10 Min. lang Wasser auslaufen lassen und dann die zweite Probe entnommen.

Aus dem Belag vom Innern des Hahns entwickelten sich nur

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Oskar Thomann.

5 Kolonien; die Probe, welche vor der Reinigung des Hähnchens entnommen worden war, enthielt 134, die andere 159 Keime. Eine Verunreinigung der Wasserproben durch den Austrittshahn ist wohl nach diesen Ergebnissen nicht wahrscheinlich.

Im ferneren wurde die Frage studiert, ob die Thätigkeit der Pumpe auf den Bakteriengehalt des Wassers von Einfluss sei. Zu diesem Zwecke entnahm ich eine Probe abends, nachdem die Pumpe den ganzen Tag in Gang gewesen war, eine zweite am folgenden Morgen kurz nach Inbetriebsetzung derselben und eine dritte am darauffolgenden Abend. Die Resultate der ersten der- artigen Untersuchung waren folgende :

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Nach

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Man sieht aus denselben, dass die Keimzahl während der Ruhe der Pumpe bedeutend zugenommen hatte, bis zum folgenden Abend aber wieder gesunken war. Da zu dieser Zeit der Brunnen- schacht gegen das Eindringen von Oberflächenwasser noch nicht absolut gesichert war, und es in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember etwas geregnet hatte , konnte die Zunahme der wachstumsfähigen Bakterien eventuell durch direkte Verunreinigung des Brunnens mit Oberflächeuwasser entstanden sein. Es wurde deshalb noch ein gleicher Versuch bei trockenem Wetter ausge- führt. Die Resultate desselben waren folgende:

Keime pro cm^

Nach 4

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22 31 17

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24

Aus diesen Zahlen geht hervor, dass während der Ruhe der Pumpe auch diesmal eine Zunahme der Bakterien stattgefunden

Untersuchuiii,'en über das Zürcher Grundwasser. 101

hat ; eine erhebliche Erhöhung kann man aber aus denselben nicht herauslesen. Diese Zunahme mag vielleicht dadurch hervorgerufen worden sein, dass durch das Steigen des Grundwasserspiegels im Brunnenschachte nach dem Abstellen der Pumpe bakterienhaltiger Wandbelag des Schachtes vom Wasser aufgenommen worden ist. Einer direkten Vermehrung der Keime innerhalb der kurzen Zeit von 11 Stunden war wohl die niedrige Temperatur des Wassers (10°) hinderlich.

Ich lasse nun die Resultate der bakteriologischen und chemi- schen Untersuchungen nachfolgen. In denselben sind Trocken- rückstand, Glührückstand, Glühverlust, Gehalt an Ammoniak, Chlor und Schwefelsäure (SO3) ausgedrückt in mg. pro Liter des unter- suchten Wassers. Die Alkalinität ist ausgedrückt in französischen Härtegraden, der Gehalt an absorbiertem Sauerstoff in cm^ Og pro 1, reduziert auf 0** und 760 mm Druck. Die Rubrik „Oxydier- barkeit" giebt an, wie viele mg. Permanganat zur Oxydation der organischen Stoffe im Liter Wasser notwendig waren. In der Rubrik „freies Ammoniak" bedeuten die Zahlen mit * die Ergeb- nisse der direkten Bestimmung nach Entkalkung des Wassers, die Zahlen ohne * die Resultate der Bestimmung durch Destillation ; erstere wurde nur ausgeführt, wenn mir die Zeit zur Bestimmung durch Destillation fehlte.

Die Keimzahlen geben an, wie viele Bakterien pro cm^ Wasser auf Fleischwasserpeptongelatine mit 1,5 7*Jo Soda bei einer Züch- tungstemperatur von 17 24° zur Entwicklung gelangten. Die Colonne „Colibefund" gibt die Resultate der Untersuchungen bei Anwendung von je 1 cm^ Wasser.

(Tabellen siehe folgende Seiten)

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